Gut gegen böse? Der Streit um die Wasserversorgung

Foto: dpa/Patrick Pleul
Frisches, klares Wasser aus dem Hahn: Das könnte bald nicht mehr selbstverständlich sein, befürchten die Kritiker der Wasserprivatisierung.
Gut gegen böse? Der Streit um die Wasserversorgung
Eine neue EU-Richtlinie will den Wettbewerb auf dem europäischen Wassermarkt ankurbeln. Seitdem laufen Kritiker Sturm und viele EU-Bürger befürchten das Schlimmste: Steigende Wasserpreise und schlechtere Wasserqualität. Negativbeispiele für privatisierte Wasserversorgung, die diese Ängste schüren, gibt es genug. So ist das Leitungsnetz in London zum Teil marode und in Portugal stiegen in manchen Ortschaften die Wasserpreise in wenigen Jahren um mehr als 400 Prozent. Doch während der Streit um die Wasserversorgung weitergeht, sollte man sich vor allen Dingen zwei Fragen stellen: Wer steht sich da eigentlich gegenüber und um welche Interessen geht es wirklich?
19.04.2013
evangelisch.de
Franziska Fink

Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) Right2Water ("Wasser ist ein Menschenrecht") sammelte bereits mehr als 1,3 Millionen Unterschriften gegen die EU-Binnemarktsrichtlinie und möchte die EU so zum Umkehren bewegen. Die Verabschiedung der Richtlinie ist für den Frühherbst geplant.

Doch worum geht es in dieser Richtlinie? Sie soll regeln, dass Städte und Gemeinden die Konzession zur Wasserversorgung ab einer bestimmten Höhe europaweit ausschreiben müssen. Kritiker befürchten, dass damit die Hintertür für eine Liberalisierung des Wassermarktes geöffnet wird. Denn besteht einmal eine Ausschreibungspflicht, würde der Druck Richtung Privatisierung wachsen, da private Unternehmen durch ihre kostengünstigen Angebote am Ende häufig den Zuschlag bekämen.

Wasserversorgung ist immer ein Monopol

Davon ist auch Otmar Lell vom Bundesverband der Verbraucherzentralen überzeugt. Er fasst die Kritik an der privaten Wasserversorgung zusammen:  "Letztendlich ersetzt man ein öffentliches Monopol durch ein privates Monopol. Und ein privates Monopol ist eben noch schlechter kontrollierbar als ein öffentliches." 

Ein weiterer Vorteil von kommunaler Wasserversorgung ist, dass das erwirtschafte Geld in der Gemeinde bleibt. "Bei einem privaten Unternehmen, geht das Geld in eine Konzernkasse, die häufig auch weit weg ist von der Gemeinde", erklärt Lell. "Davon hat der Bürger natürlich noch weniger, als wenn das Schwimmbad oder der öffentliche Verkehr mit den Gewinnen aus der kommunalen Wasserversorgung unterstützt wird."

Kein Zwang zur Privatisierung

EU-Kommissar Michel Barnier, der die umstrittene Richtlinie auf den Weg brachte, beteuerte in den vergangenen Wochen immer wieder, dass er öffentliche Wasserversorger keinesfalls zur Privatisierung zwingen will, so auch zuletzt zum Weltwassertag am 21. März in einem offiziellen Memo der EU-Kommission.  Im Gegenteil, die Richtlinie soll sogar helfen, Günstlingswirtschaft und Korruption einzudämmen. Denn bisher war es so, dass kommunale Wasserwerke, die privatisiert wurden, häufig ohne Ausschreibung an lokale Energieversorger gingen, in deren Aufsichtsgremien übrigens oft Politiker saßen, und so kein fairer Wettbewerb möglich war.

Einseitige Interessenvertretung wird jedoch auch Michel Barnier vorgeworfen. Lobbyismus ist das Stichwort, denn Kritiker bemängeln, dass die Expertengruppe, die die EU-Kommission berät, hauptsächlich aus Vertretern der Wasserindustrie besteht.

###mehr-artikel###Doch wie sieht es auf der Gegenseite aus? Die EU-Bürgerinitiative "Wasser ist ein Menschenrecht" wird vor allen Dingen von Gewerkschaften organisiert. Und denen geht es nicht nur um gerechte Wasserversorgung, sondern auch um Arbeitsbedingungen und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Denn öffentliche Unternehmen könnten oft mit weniger Arbeitskräften dasselbe Ergebnis liefern.

Öffentliche Wasserversorgung muss transparenter werden

Natürlich kämpft die Bürgerinitiative trotzdem für eine gute Sache, das findet auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen: "Es ist in keiner Weise sinnvoll, dass eine Stadt ihre Wasserwerke an einen privaten Betreiber verkauft, weil man sich da in eine Abhängigkeit gibt von einem privaten Investor", so Lell. "Und die Stadt muss am Ende gutes Wasser liefern, egal was dieser Wasserversorger macht oder nicht macht."

###mehr-galerien###Aber so wichtig das Engagement für das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung ist, darf darüber nicht vergessen werden, dass es generell der Wasserversorgung an Transparenz fehlt. Denn auch in der kommunalen Wasserversorgung gibt es erhebliche Preisunterschiede.

"Die Wasserpreise differieren in Deutschland um 300 Prozent.", sagt Otmar Lell dazu. "Ich zahle also in einer Stadt ein Drittel dessen, was ich in einer anderen Stadt zahle und ich weiß eigentlich überhaupt nicht, warum. Ein Teil dieser Preisunterschiede ist sicher auch objektiv begründet, beispielsweise wenn das Rohwasser unterschiedlich gut ist und unterschiedlich stark aufbereitet werden muss." Das erklärt aber bei weitem nicht alle Preisunterschiede.

Gleiches Recht für alle

Sinnvoll wäre also in jedem Fall eine Transparenzpflicht – auch für öffentliche Unternehmen. Nur so können die Bürger erfahren, welche Wasserqualität zu welchem Preis erbracht wird. Und darum geht es letztendlich. Otmar Lell würde gegebenenfalls sogar noch weiter gehen: "Ein zweiter Schritt wäre, dass die Preise auch festgesetzt werden, ähnlich wie in der Energiewirtschaft."

Zum Schluss muss auch noch ein Blick auf die zwiespältige Rolle Deutschlands in der EU-Wasserpolitik geworfen werden. Denn während die deutsche Wasserversorgung auch von politischer Seite aus geschützt werden soll, drängt Deutschland gleichzeitig durch seine Rolle in der EU-Finanzkrise andere Staaten dazu, ihre Wasserversorgung zu privatisieren. Doch dass dies nicht funktioniert, sieht man jetzt schon in Portugal, so auch Lell: "Kurzfristig kann man da zwar den Staatshaushalt in Ordnung bringen, aber das muss man langfristig bitter bezahlen."