Gundula Gause: "Ich bin eine Grenzgängerin"

Gundula Gause
Foto: ZDF/Kerstin Bänsch
Gundula Gause ist Mitglied der Jury beim chrismon-Gemeindewettbewerb.
Gundula Gause: "Ich bin eine Grenzgängerin"
Die ZDF-Moderatorin Gundula Gause ist Mitglied der Jury beim chrismon-Gemeindewettbewerb. Noch bis zum 15. April können Sie sich mit Ihrer Gemeinde dort bewerben. Gundula Gause freut sich sehr auf die vielen Projekte und Menschen, die sie durch den Wettbewerb kennenlernen wird. Sie selbst ist evangelisch, geht aber meistens in eine katholische Gemeinde in Mainz.
10.04.2013
evangelisch.de

Welche Rolle spielt die Kirchengemeinde in Ihrem Leben?

Gundula Gause: In dem Vorort von Mainz, in dem ich mit meiner Familie wohne, erleben wir zwei glücklicherweise sehr aktive Gemeinden. Als katholisch verheiratete Protestantin bin ich "Grenzgängerin" und besuche Gottesdienste beider "Fraktionen". Da wir natürlich häufig mit der Familie in die Kirche gehen, ist es eher der katholische Gottesdienst, dem wir folgen. Die Kinder sind katholisch getauft und bereits zur Kommunion gegangen, was die Verankerung in einer Gemeinde ja früher festigt als es bei den Protestanten der Fall ist.

Auch weil unsere Tochter in der Katholischen Jungen Gemeinde aktiv ist, erlebe ich die katholische Gemeinde einfach intensiver. Es ist eine sehr aktive, lebendige Gemeinschaft, was auch unserem engagierten Pfarrer zu verdanken ist, der eine enge Beziehung zu den Menschen im Ort hat. Aber auch mit der Pfarrerin der evangelischen Gemeinde verbinden mich Familien- und auch Medienaktivitäten.  So habe ich als Grenzgängerin das große Vergnügen, zwei aktive Gemeinden zu erleben.

"Die Kirchen bieten jede Menge Sinn und Lebenserfüllung an."

Was war bisher Ihre schönste oder wertvollste Erfahrung in einer Kirchengemeinde?

Gause: Das ist die anhaltend hohe Qualität der Gottesdienste. Die Predigten sprechen mich sehr an, darin sind immer wieder wertvolle Gedanken, die mich auch über die Woche beschäftigen und einen weitreichenden Einfluss auf mich haben. Und ich sehe das Bemühen der beiden großen Kirchen - nicht nur auf Gemeindeebene, sondern auch auf Bundesebene, die Türen zu öffnen, um Menschen für den Glauben zu gewinnen. Die Gesellschaft ist auf Sinnsuche, die Kirchen bieten jede Menge "Sinn" und Lebenserfüllung an. Man muss das nur erkennen und für sich persönlich das Beste daraus machen. Natürlich kommt es auch darauf an, wie man persönlich in die Gemeinde integriert ist - was aber auch davon abhängt, wie sehr man sich selbst einbringt.

Bestimmt sind Sie mal umgezogen und in eine neue, fremde Gemeinde gegangen. War es schwer für Sie, dort "hineingelassen" zu werden?

Gause: Da ich eigentlich erst in den letzten 20 Jahren glaubensaktiv und kirchenintegriert bin, kann ich nur über diesen Zeitrahmen sprechen – und kann da sagen, dass ich persönlich es nicht als problematisch empfunden habe, in Gemeinden aufgenommen zu werden. In den katholischen Gottesdiensten, die ich erlebe, werden Neubürger häufig explizit angesprochen und zu weiteren Aktivitäten eingeladen, sei es zu einem Nachtreffen in der Sakristei, zum Pfarrfest oder zu einem Essen in der Gemeinde, um miteinander ins Gespräch zu kommen.

"Da ist eine Form des Sinngebens, die die Menschen Zuversicht finden lässt, ein Sich-Einbetten in eine Gemeinschaft."

Können Kirchengemeinden etwas bieten, was andere Gruppen nicht bieten können?

Gause: Ja, auf jeden Fall! Obwohl Sport- und Musikvereine gerade in der Jugendarbeit Großartiges leisten, wie über körperliche oder musische Aktivitäten zu Wohlbefinden zu gelangen,  schlicht eine Sportart oder ein Musikinstrument zu erlernen und damit Mannschaftsgeist und musikalische Glücksgefühle zu entwickeln.

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Das spirituelle Angebot der Kirchengemeinden aber bewegt sich auf einer anderen Ebene, die für mich für ein vollkommenes menschliches Dasein unabdingbar ist. Die Betonung von religionsübergreifenden Werten wie Nächstenliebe, Menschenwürde, Friedfertigkeit und der "Dienst am Nächsten" wird in einer Zeit, in der viel über Werteverlust diskutiert wird, zunehmend wichtig.

Darf ich hier kurz von meinen Erfahrung als Schirmherrin des Afrikatages des katholischen Hilfswerks "missio" einbringen? missio leistet ja zum einen klassische Entwicklungshilfe, bietet zum anderen aber auch einen spirituellen Mehrwert, stabilisiert die Menschen, vermittelt ihnen auf der Glaubensebene, auf der psychisch-emotionalen Ebene Trost und Hoffnung.

So ist es auch in den Gemeinden. Da ist eine Form des Sinngebens, die die Menschen Zuversicht finden lässt, ein Sich-Einbetten in eine Gemeinschaft, in unserem Fall also die christliche Gemeinschaft, und das Heranführen an eine andere Ebene. Wir Menschen haben uns ja nicht selbst gemacht, wir sind ja hier nicht nur aufgrund von biologischen Vorgängen, sondern ich meine schon, dass es eine höhere Instanz gibt. Die Heranführung an diese Instanz, das ist – neben allem Dasein für Schwächere – auch  Aufgabe der Kirchen.

"Es gibt in den Gemeinden sicher weitere Ideen als das Opfergeldkörbchen."

Die meisten Gemeinden könnten mehr Geld gebrauchen als sie haben. Wo kann Ihrer Meinung nach gespart werden und wie kann eine Gemeinde mit knappen Ressourcen gut klarkommen?

Gause: In diesen Strukturen bin ich so nicht drin, als dass ich mir ein Urteil erlauben dürfte. Ich erlebe sehr verantwortungsbewusste Pfarrer und auf anderer Ebene z.B. die ekhn-Stiftung, die jeweils sehr genau hinschauen und ein für meine Begriffe sinnvolles und bedachtes Ausgabenmanagement betreiben. Zudem erlebe ich im Bereich des evangelischen Dekanats meiner Heimatstadt, dass hier überlegt wird, zwei Gemeinden anders zu strukturieren, weil Mitglieder einer Gemeinde sich mehr zu einer anderen hingezogen fühlen, so dass die schon wenig besuchten Kirchen zum Teil noch leerer sind, als es nötig wäre.

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Vielleicht kann man also auf der Strukturebene etwas entfrachten und Gemeinden zusammenlegen, dies auch vor dem Hintergrund, dass wir ja immer weniger Pfarrer und immer weniger Kirchgänger haben. Im ländlichen Bereich ist das ja ein noch größeres Problem. In der katholischen Eifel, aus der mein Mann stammt, findet zum Beispiel nicht mehr jeden Sonntag in jeder Kirche ein Gottesdienst statt.

Was die Möglichkeiten zur Einnahmesteigerung angeht, so gibt es in den Gemeinden sicher weitere Ideen als das Opfergeldkörbchen. Zum Beispiel hat der Pfarrer unserer katholischen Gemeinde "German Brass", die Bläser der Berliner Philharmoniker eingeladen. Es war ein großartiges Konzert, die Kirche war voll. Der Pfarrer hat also durch Kunst und Kultur Menschen in die Kirche geholt, was wir ja mit der Stiftung der ekhn auch versuchen. Es heißt dann häufig "Eintritt frei", ich glaube aber, dass die Leute bereit wären, einen Obolus zu zahlen, wenn man am Ende einer sinnerfüllenden und dichten Veranstaltung ein Körbchen hinstellt.

Was wäre unverzichtbar für Sie? An welcher Stelle darf auf keinen Fall gespart werden?

Gause: An der Fürsorge für Menschen, denen es nicht so gut geht. Alles was "Dienst am Nächsten" ist, ist ja urchristlicher Auftrag. Da darf nicht gespart werden, vor allem nicht bei denen, die sich sonst nicht helfen können.

"Es passiert schon unheimlich viel. Ich weiß gar nicht, wie das noch zu toppen wäre!"

An welcher Stelle würden Sie sich persönlich einsetzen, wenn Sie ganz viel Zeit hätten?

Gause: Die Zeit, die ich habe, investiere ich ehrenamtlich als Schirmherrin des Afrikatages von missio und auch als Kuratoriumsmitglied der ekhn-Stiftung. Diese beiden "Posten" ziehen ja so manche Moderation von Veranstaltungen sowie Pressearbeit mit sich. Und über diese beiden Aktivitäten erfahre ich auch, wie viele wunderbare Projekte es in den Gemeinden gibt, seien es zum Beispiel die Bach-Konzerte in der Mainzer Christuskirche oder Hausaufgabenbetreuung in einem besonderen Stadtteil.

So moderiere ich zum Beispiel am 21. April eine Podiumsrunde bei den Wormser Religionsgesprächen. Das ist ja das Schöne, dass sich jeder so einbringen kann, wie er eben mag und kann. Junge Leute können sich in der Kinder- und Jugendarbeit einsetzen, viele Kirchenaktive unterstützen Gottesdienste oder wirken als Katecheten und ältere Menschen können mit ihrer Lebenserfahrung zum Beispiel Bibelkreise oder Literaturzirkel leiten.

Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man sich mit seinen Kompetenzen und Vorlieben engagieren kann. Ich finde, es passiert schon unheimlich viel in den Gemeinden und ich weiß gar nicht, wie das noch zu toppen wäre! Deswegen bin ich auch sehr auf den chrismon-Gemeindewettbewerb gespannt. Gewiss lerne ich weitere tolle Projekte von engagierten Menschen kennen. Ich freu‘ mich auf diesen Wettbewerb.