Apfelstückchen für die Kanzlerin

Bewohnerin Elfriede Wienekamp und Betreuerin Claudia Gehling kochen.
Foto: epd-bild/Detlef Heese
Elfriede Wienekamp (87) bereitet gemeinsam mit Mitarbeiterin Claudia Gehling im Caritas-Seniorenzentrum St. Konrad in Melle bei Osnabrück das Mittagessen vor.
Apfelstückchen für die Kanzlerin
Elfriede Wienekamp (87) ist gerne in Gesellschaft und hilft beim Kochen. Im Seniorenzentrum St. Konrad ist das kein Problem: Das Leben spielt sich in der Wohnküche ab. Am Freitag informiert sich sogar die Bundeskanzlerin über das Hausgemeinschaftskonzept.
10.04.2013
epd
Martina Schwager

Elfriede Wienekamp schält Äpfel, schneidet sie klein, und verteilt sie auf Glasschüsseln. Hin und wieder steckt sie sich ein Stückchen in den Mund. "Das ist der Lohn für die Arbeit", sagt sie und lacht verstohlen. Seit gut einem Jahr lebt die 87-Jährige im Seniorenzentrum St. Konrad in Melle bei Osnabrück. Der Alltag in ihrer Hausgemeinschaftsgruppe gefällt ihr. Am Freitag will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in St. Konrad ein Bild von diesem Konzept machen.

Elfriede Wienekamp sieht dem hohen Besuch gelassen entgegen: "Dann kriegt sie auch ein Stück von meinem Apfel", sagt sie. Mit den anderen elf Bewohnerinnen sitzt die 87-Jährige gerne am großen Tisch, klönt, singt, spielt, treibt Gymnastik. Vormittags hilft sie meist bei der Zubereitung des Mittagessens: "Ich bin ja froh, wenn ich was zu tun habe." In St. Konrad gibt es weder einen Speisesaal noch eine Großküche. Alle Mahlzeiten werden in den Gruppen zubereitet.

"Niemand muss mehr stundenlang allein in seinem Zimmer zubringen"

Vor fast drei Jahren hat die Caritas das aus den 50er Jahren stammende alte Haus abgerissen, ein neues gebaut und auch gleich das Konzept geändert. Seitdem ist die Wohnküche mit dem großen Tisch das Herzstück jeder der fünf Gruppen. "Niemand muss mehr stundenlang allein in seinem Zimmer zubringen", sagt Leiter Johannes Wolters.

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Sogenannte Präsenzkräfte sind von morgens bis abends in jeder Gruppe. Sie kochen mit den Bewohnern und haben immer ein Ohr für Sorgen und Wünsche. Für die Pflege sind nach wie vor die Pflegekräfte zuständig. Frau Wienekamp und die anderen sollen sich wie in einer Großfamilie aufgehoben und geborgen fühlen. "Selbst bettlägerige und schwer demente Personen können sich dank spezieller Liegen tagsüber im Gemeinschaftsraum aufhalten", erläutert Wolters.

Das Konzept ist nicht mehr ganz neu. Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) in Köln hat im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums bereits im Jahr 2000 verschiedene Modellprojekte von Hausgemeinschaften dokumentiert. Allerdings lassen sich die dezentralen Wohngruppen selten so konsequent umsetzen wie in St. Konrad. Alte Häuser mit Stationen, Großküche und Speisesaal sind baulich dafür oft schlechter geeignet.

Bewohner laufen seltener weg

Alte Menschen sollen sich auch im Heim zu Hause fühlen - wenn auch die Zeit, die sie dort verbringen immer kürzer wird. "Die meisten kommen erst dann, wenn es zu Hause gar nicht mehr geht", sagt Wolters. Im Durchschnitt bleiben sie dann noch ein Jahr. In St. Konrad leben mehrheitlich Frauen über 90. Der Anteil der Demenzkranken steigt. Derzeit sind es 60 Prozent.

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Andere Einrichtungen in der Umgebung hätten nach den guten Erfolgen von St. Konrad inzwischen zumindest in Teilen das Konzept der Hausgemeinschaften übernommen, sagt Wolter. Teurer sei das nicht, und es brauche nicht einmal mehr Personal. Nach seiner langjährigen Erfahrung auch in anderen Häusern fühlen sich die alten Menschen in Hausgemeinschaften viel wohler als in einem normalen Heim: "Für unsere Bewohner gibt es nichts Besseres", sagt der Heimleiter bestimmt.

Dass die Demenzkranken viel seltener weglaufen, sieht er als ein Indiz. Und noch ein positiver Nebeneffekt hat sich eingestellt: "Wir müssen weniger Lebensmittel wegschmeißen. Aus den vom Mittag übrig gebliebenen Kartoffeln kann man abends Bratkartoffeln machen. In einer Großküche ist das nicht erlaubt." Elfriede Wienekamp steht immer noch an der Arbeitsplatte und schnippelt Äpfel. Einige ihrer Mitbewohnerinnen haben sich zum Spielen in die Sofaecke zurückgezogen. Sie selbst hilft lieber: "Ich kann nicht Nein sagen, wenn ich gebraucht werde."