Nach der Premiere des neuen "Tatort"-Teams aus Saarbrücken hat der Saarländische Rundfunk (SR) viel Kritikerprügel einstecken müssen. Vor allem die Rolle des Kommissars kam nicht gut weg, weil der von Devid Striesow verkörperte frühere Bundespolizist zu sehr als Witzfigur angelegt sei. Gerade darin liegt jedoch die Stärke der beiden Auftaktgeschichten: Hauptkommissar Jens Stellbrink scheint mitunter mit großen Kinderaugen durch diese Welt zu wandern und sich darüber zu wundern, wie schlecht sie doch sein kann; oder dass jene, die sie eigentlich verbessern sollten, etwa als Staatsanwältin, noch zum Moralverfall beitragen. Mit seinem pausbäckigen Unschuldsgesicht führt Stellbrink seine Gegenspieler regelmäßig hinters Licht; im neuen Fall bringt er eine Rockerbande ganz ohne Waffengewalt dazu, zwei Geiseln laufen zu lassen.
Der zweite Film heißt "Eine Handvoll Paradies" und bezieht sich auf eine neuartige Droge namens Paradise, die von besagten Rockern in Umlauf gebracht werden soll. Regie führte der am Bodensee lebende Finne Hannu Salonen; er hat die Mehrzahl der letzten "Tatort"-Krimis des SR inszeniert und ist längst einer der wichtigsten deutschen Krimiregisseure. Gemeinsam mit Kameramann Wolf Siegelmann verpasst er dem Film einen reizvollen Western-Look, der gut zur Geschichte passt, schließlich leben auch die Rocker in einer reinen Männerwelt. Wenn sie mit ihren Motorrädern durch ein Saarland donnern, in dem dank Siegelmanns Filterarbeit ein Hochsommerlicht wie in den Filmen von John Ford erstrahlt, erinnert das durchaus an die "Wild Bunch" von Sam Peckinpah.
Köpfchen gegen Körper
Umso größer ist der Kontrast zum eifrigen Kommissar, der auf seinem roten Motorroller zwischen den schweren Bikes wie ein Knirps in einer Männermannschaft wirkt. Von diesen Gegensätzen lebt der Film, optisch wie inhaltlich: Immer wieder gelingt es Stellbrink, sich bei den Auseinandersetzungen mit den robusten Rockern clever aus der Affäre zu ziehen; Köpfchen gegen Körper. Unstimmigkeiten entstehen allenfalls durch den Umstand, dass die ungehobelten Burschen ein porentief reines und vom jeden Anflug eines Dialekts befreites Hochdeutsch sprechen. Sie werfen zwar mit jeder Menge Fachbegriffe aus der Rockersprache um sich, aber ansonsten verrät der Sprachgebrauch eine höhere Schulbildung.
Atmosphärisch ist der Film umso glaubwürdiger, aber erst Devid Striesow macht ihn unverwechselbar, denn die Geschichte (das von Salonen bearbeitete Drehbuch stammt von Felice Götze) ist das nicht. Nach der Ermordung eines Rockers fällt der Verdacht auf ein Bandenmitglied, aber Stellbrink wird von Staatsanwältin Dubois (Sandra Steinbach) an die Leine gelegt: Der zwielichtige Typ ist ein V-Mann. Mit seiner Hilfe will Dubois verhindern, dass die Rockers das Saarland mit der lebensgefährlichen Droge überschwemmen; den Todesfall nimmt sie als Kollateralschaden in Kauf.
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Sehenswert und ungewöhnlich wird der Film durch Salonens Lust, die Linearität der Erzählstruktur immer wieder mutwillig zu zerstören, etwa durch einen grotesken Albtraum Stellbrinks, der erneut Einiges einstecken muss. Auch die Dialoge bergen immer wieder akustische Stolpersteine, wenn sich Stellbrink beispielsweise auf die Borg bezieht (ein Volk aus dem "Star Trek"-Universum, mit dem sich die Enterprise regelmäßig Gefechte geliefert hat) oder unvermutet Novalis zitiert. Die Figur ist nicht mehr ganz so schräg wie im ersten Film ("Melinda"), aber zum Glück immer noch schräg genug, um aus dem Rahmen des Sonntagskrimis zu fallen.