Mehrmals am Tag überzeugen sich Birgit und Henning Gauer, dass es ihren "Mädels" auf Gut Rosenthal in Bergneustadt gutgeht. Ob alles in Ordnung ist, das ist schon beim Öffnen der Tür zu hören. Wenn sie mit "Gesang" begrüßt werden, dann ist klar: Alles gut im Hühnerstall. Denn wenn es den 1.200 braunen Lohmann-Hennen an Futter, Wasser, Wärme, Ruheplätzen, Raum oder Licht fehlen würde, würden sie lautstark zetern, sich gegenseitig die Federn ausrupfen oder gar aufeinander losgehen. Aber bis auf ganz seltene Ausnahmen, wenn etwa der Futterautomat nicht richtig arbeitet, herrscht Frieden im Hühnerstall.
###mehr-artikel###
So auch heute, an einem Märztag kurz vor Ostern: Etliche Hühner nehmen auf dem Biohof im Bergischen Land ganz nach Hühnerart ein Staubbad zur Pflege ihres dichten Gefieders im eigens aus der Eifel importierten Lavagesteinsmehl. Andere rupfen Halme aus einem Korb, der stets mit frischem Grün gefüllt wird, oder zupfen an einem der Seile, die genau wie das Grünzeug dafür sorgen, dass keine Langeweile aufkommt. Und über allem schwellt etwas melodisch auf und ab, was Birgit Gauer den "Gesang" ihrer Hennen nennt.
Morgens ab 10 Uhr ist für alle 1.200 Hennen auch das Freigehege geöffnet. Vor allem bei Sonnenschein lieben sie es, auf dem mit Büschen bepflanzten Terrain zu scharren, nach Futter zu picken oder ein Sonnenbad zu nehmen. Sogar mit Zuflucht unter Büschen vor Raubvögeln – denn Hühner sind ursprünglich Waldbewohner und scheuen flache Flächen ohne Rückzugsmöglichkeiten. Gut bewacht werden die Hühnerdamen zudem von einem der fünf Hähne, die für Schutz vor Greifvögeln sorgen. Bei der eisigen Kälte der vergangenen Wochen zieht das Federvieh es allerdings oft vor, im Stall zu bleiben. Höchstens ganz kurz gehen sie im Wintergarten an die Luft.
Keine Lampe, die zum Eierlegen antreibt
Abends, wenn die Hennen ganz nach Hühnerart früh zu Bett gehen, hocken sie schön aneinander gedrängt hoch oben auf ihren Stangen. Denn nachts haben die Hühner auf Gut Rosenthal frei - weit und breit keine Tageslichtlampe, die sie zum pausenlosen Eierlegen antreiben würde. Bereits ab fünf Uhr morgens, sozusagen beim ersten Hahnenschrei, sitzen die ersten Hennen im Nest und tun, wozu Birgit und Hennig Gauer sie auf ihren Hof geholt haben: Sie legen Eier. Möglichst jeden Tag eins. Und zwar Bioeier nach strengen Bioland-Kriterien.
Als Birgit und Henning den stillgelegten Bauernhof im Jahr 2000 kauften, dessen Geschichte bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, hatten sie von artgerechter Hühnerhaltung nach Bioland-Kriterien noch wenig Ahnung. Hennig Gauer stammt zwar von einem Bauernhof, ist aber gelernter Schreiner. Birgit hat Gärtnerin gelernt und genau wie ihr Mann noch eine Arbeitstherapeuten- und Erzieherausbildung gemacht. Gemeinsam leiten sie auf dem Hof eine therapeutische Familiengruppe mit vier Plätzen. Die Bio-Hühnerhaltung haben sie seit 2003 aufgebaut. Die dazu nötigen Fachkenntnisse eigneten sie sich in Kursen an - die zugrunde liegende Überzeugung brachten sie schon mit.
"Wir beide sind bewusst Christ geworden - auch, um etwas zu bewirken", erzählt Birgit Gauer. "Christsein ist nicht nur etwas für die Innerlichkeit. Ich war schon immer für Gerechtigkeit und die Schöpfung lag mir schon immer sehr am Herzen." Dass sie bei vielen Christen den Einsatz für Schöpfung, Natur und Nachhaltigkeit nicht als Bestandteil des Glaubens erleben, schmerzt die beiden. "Für uns gehört das zusammen. Ich kann doch nicht Christ sein und Billigfleisch kaufen, wenn dafür das Tier gequält wurde", ereifert sich Birgit. Sie freut sich, dass sie mit ihrem Biohof "eine Schiene gefunden haben, wo wir Standards für artgerechte Haltung und Nachhaltigkeit setzen. Wir konfrontieren auch Christen in unserer Umgebung mit ihrem Verhalten, wenn die Bodenhaltungseier kaufen oder Autos fahren, die mordsmäßig viel Sprit brauchen. Das passt für uns nicht zusammen."
Männliche Küken werden aussortiert
Birgit und Hennig Gauer sind sich allerdings bewusst, dass auch ihr Biohof an manchen Stellen noch ein Kompromiss ist. Dass etwa männliche Eintagsküken im Aufzuchtbetrieb aussortiert werden, weil Hähnchen dieser Rasse "unrentabel" für die Mast sind, erleben sie durchaus als "Wermutstropfen". Sie hoffen, auf die Zucht des sogenannten Zweinutzungshuhns, das für Eierproduktion und Mast gleichermaßen geeignet ist. Oder besser noch darauf, "dass viele Verbraucher bereit sind, 20 Euro für ein Hähnchen zu zahlen und zum guten alten Sonntagsbraten zurückfinden", so Birgit Gauer.
Auch so große "Völker" von 600 Hühnern wie auf Gut Rosenthal gibt es in der Natur nicht. Henning Gauer und seine Frau haben ihre eigene Art gefunden, den Tieren ihren Respekt zu zeigen. "Wir begrüßen die Hennen, wenn sie jung zu uns kommen: Hallo Mädels! Schön, dass ihr da seid. Schön, dass ihr für uns in Dienst steht", schildert Birgit Gauer die unkonventionelle Begrüßung der Junghennen im Stall von Gut Rosenthal. Einflüsse aus Naturreligionen gesteht sie dabei gerne zu. "Wir können da viel lernen - gerade als Christen. Die Indianer haben die Umwelt nicht zerstört und wir zerstören sie noch. Wir müssen da umdenken."
"Danke für euer Leben bei uns"
Und wenn die Tiere nach 15 bis 18 Monaten ihr Hennenleben als Suppenhuhn beenden? "Das ist schon ein Wermutstropfen, dass man sie dann zum Schlachter geben muss", findet Birgit Gauer. "Wir bedankten uns bei unseren Hühnern, ehe sie abgeholt werden. Laut oder leise: Danke für euer Leben bei uns." Damit der letzte Weg für die Hennen erträglich ist, mahnt Birgit Gauer sogar die Fahrer, die die Tiere abholen und die schon mal geneigt sind, sie einfach in den Wagen zustopfen, egal ob dabei ein Flügel gebrochen wird: "He, die Tiere leben noch. Das sind Kreaturen."
Besonders jetzt vor Ostern könnte Gut Rosenthal drei Mal so viele Eier verkaufen wie produziert werden. "Aber wir können die Produktion nicht von einem Tag auf den anderen steigern. Dann müssten wir tricksen. Und das wollen wir nicht", erklärt Birgit Gauer. Auch ansonsten ist die Nachfrage nach Eiern gestiegen, deren Produktion nachgewiesenermaßen nichts mit dem jüngsten Bioeier-Skandal zu tun hat. "Bio ist nicht gleich Bio", erläutert Birgit. Denn zwischen der EU-Bionorm und den Qualitätsanforderungen ihres Bioland-Hofes bestehen erhebliche Unterschiede. "Nach EU-Biovorschriften dürfen 260 Hennen pro Hektar gehalten werden, bei Bioland 140. Während in einem EU-Biostall bis zu 30.000 Hennen in einem Stall gehalten werden, liegt bei Bioland die Grenze bei maximal .3000 Tieren, die zudem in 600 Gruppen leben“, erläutert sie nur einige der Unterschiede.
###autor###
Während Schlechtwetterauslauf bei EU-Bio gar nicht vorgesehen ist, gibt es im Rosenthal sogar in Zeiten der Vogelgrippe draußen den sicheren Wintergarten zum Staubbaden, Scharren und Picken. 50 Prozent des Futters muss auf eigenen Flächen nach ökologisch strengen Richtlinien erzeugt werden. Anders als nach EU-Bionormen dürfen nur so viele Tiere gehalten werden, wie Futter erzeugt werden kann.
Stolz am österlichen Frühstückstisch
Natürlich hat diese Art der Tierhaltung und Erzeugung ihren Preis. Aber die Eier, die die Gauers über Bioläden, Alnatura sowie ausgewählte Bäckereien und Supermärkte in den Handel bringen, finden ihre Kundschaft. Und das, obwohl sie mit 34 Cent teurer sind als Produkte aus Bodenhaltung. Birgit und Henning Gauer hoffen, dass mehr und mehr Kunden mit Respekt vor der Schöpfung einkaufen. Und wenn Familie Gauer am Ostermorgen am Frühstückstisch sitzt, sitzen auch Freude und Stolz mit am Tisch. "An vielen Tischen werden jetzt 'unsere' Eier gegessen. Und schließlich ist das Ei doch Symbol für das Leben."