"Wir weigern uns, Feinde zu sein"

Foto: epd-bild/Debbie Hill
"Wir weigern uns, Feinde zu sein"
Die Farm des Palästinensers Daoud Nassar liegt bei Bethlehem, eingezwängt zwischen fünf israelischen Siedlungen. Der engagierte Christ will sie zu einem Ort der Freundschaft machen. Aber das gefällt nicht jedem.
23.03.2013
epd
Susanne Knaul

Daoud Nassars kleine Farm ist eine Oase des Friedens inmitten des Nahostkonflikts. "Wir weigern uns, Feinde zu sein", steht in bunten Buchstaben auf einem Schild am Fußweg zum "Tent of Nations", dem "Zelt der Völker". Vorbei an einem Pferdegehege, an Ziegen und Hühnern führen gepflegte Pfade zu den Zelten, die Menschen aus aller Welt beherbergen sollen, vor allem aus Palästina. Zu Ostern erwartet der 43-jährige palästinensische Christ auch eine Pilgergruppe aus Deutschland. Der Gottesdienst am Ostermontag wird dann wird in einer Höhle gefeiert, die als Kapelle fungiert.

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Vielen seiner Nachbarn ist der dickköpfige Palästinenser ein Dorn im Auge. Der Lutheraner will das Erbe seines Vaters und Großvaters fortsetzen, die beide gottesfürchtige Männer waren und ihr Land dem Frieden widmen wollten. Seine Farm liegt zwischen fünf israelischen Siedlungen, die ohne den Störenfried in der Mitte Schritt für Schritt zusammenwachsen könnten. Nassar aber ist nicht bereit, sein Land zu verlassen. Eines morgens fand er Dutzende Olivenbäume entwurzelt und zerstört vor.

Nur zu Fuß ist Nassars Hof zu erreichen. Die Zufahrt ist durch Schutt und Geröll versperrt. Seit Jahren setzt sich der engagierte Christ gegen Abrissbefehle zur Wehr. Die Besatzungsbehörden werfen ihm "Bau ohne Genehmigung" vor, darunter fallen ein Versammlungsraum mit kleiner Küche und der Pferdestall. Nach schriftlicher Auskunft der Armee sind indes die laufenden Verfahren vorläufig eingestellt worden.

Workshops und Meditationen in Höhlen

Das "Zelt der Völker" ist für Nassar ein Weg, Widerstand gegen die Vertreibung seines Volkes zu leisten. "Wir wollen keine Steine werfen", sagt er, "aber wir werden auch nicht weinend aufgeben".

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Knapp zehn Kilometer südwestlich von Bethlehem im Westjordanland liegt das rund 40 Hektar große Landstück, das seine Vorfahren Anfang des vergangenen Jahrhunderts kauften, um dort in Höhlen zu leben. "Für meinen Großvater hatte diese Lebensform spirituelle Bedeutung", erklärt Nassar, der selbst noch in den Höhlen aufgewachsen ist und nichts Ungewöhnliches daran findet. "Hier ist es im Sommer kühl und im Winter warm".

Heute finden in den schattigen, fast gemütlichen Gewölben Gesprächskreise, Workshops oder auch Meditationen statt. Mit Vermittlung des "Deutschen Vereins vom Heiligen Lande", der die Verbindung zwischen deutschen und palästinensischen Christen stärken will, kommen regelmäßig auch aus Deutschland freiwillige Helfer. Sie verrichten Arbeit auf dem Hof und betreuen Projekte. Manche bleiben für mehrere Monate und wohnen in einem der Zelte oder in den Höhlen. Die jungen Idealisten nehmen es in Kauf, dass es weder Strom noch fließend Wasser gibt. Ausgerechnet ein israelischer Siedler, so berichtet Nassar, "hat uns mehrere Komposttoiletten gebaut".

"Mit Herz und Hand verändern wir das Land"

Israelis gehören allerdings normalerweise nicht gerade zu den Stammgästen. Nassars wichtigste Zielgruppe ist sein eigenes Volk. Denn er findet, die Palästinenser sollten mehr Initiative ergreifen: "Es ist so leicht in Passivität und Selbstmitleid zu verfallen", sagt er. "Wir sehen die schönen Siedlungen ringsherum mit grünen Wiesen und Swimmingpools, aber wir werden uns nie weiterentwickeln, wenn wir selbst nichts dafür tun."

Die Kinder und Jugendlichen, die in den Sommerferien tagsüber auf die Farm kommen, lernen, wie man aus alten Plastikflaschen ein Gewächshaus baut, und dass sich aus Abfall Biogas gewinnen lässt. Ökologisch und gemütlich ist Nassars Bauernhof. Überall haben seine Gäste einen kreativen Stempel hinterlassen: ein Mosaik neben dem Esstisch, Malereien an Wänden und Bänken. "Mit Herz und Hand verändern wir das Land", steht in gemalten Buchstaben an einem Freilufttreffpunkt.

"Wir müssen unsere Zukunft in die eigene Hand nehmen", sagt Nassar, der fließend Deutsch spricht. Von Kindesbeinen an lernte er die Sprache zuerst an der evangelisch-lutherischen Schule Talitha Kumi in Beit Jalla und später im österreichischen Linz, wo er Abitur machte. Zurück in Bethlehem studierte er Betriebswirtschaft, um anschließend noch mal ins Ausland nach Bielefeld zu gehen, wo er sich den letzten Schliff im Bereich Tourismusmanagement holte.

"Lieber in die Menschen investieren"

Es fehlt an Ausbildungsplätzen, das ist nach Einschätzung Nassars ein zentrales Problem für die wirtschaftliche Misere Palästinas. "Es gibt so viele Leute hier, die einfach nichts tun", schimpft er. Anstatt mit internationalen Geldern neue Straßen zu bauen, sollte man "lieber in die Menschen investieren" und Berufsschulen errichten. Nur durch Hilfe zur Selbsthilfe könne langfristig wirklich eine Unabhängigkeit geschaffen werden.

Auch für seinen Bauernhof strebt der idealistische Christ mehr Unabhängigkeit an. Der Tourismusexperte setzt auf einen kleinen Souvenirladen und Übernachtungsmöglichkeiten. Beides ist ohne fließend Wasser und Strom schwierig, deshalb sollen als nächstes eine neue Zisterne angelegt und Windturbinen aufgebaut werden.

"Mein Großvater starb unter Besatzung der Osmanen und mein Vater unter israelischer", sagt er. "Wir setzen hier jetzt den Traum meiner Vorväter um."