Slalom durch die Ökumene: Hans Küng wird 85

Hans Küng
Foto: dpa/Rainer Jensen
Weil er hochbegabt ist und bereits mit 32 Professor war, hatte Hans Küng früher das Etikett "Teenager-Theologe". Heute wird er 85.
Slalom durch die Ökumene: Hans Küng wird 85
Kaum jemand erklärt die großen Weltreligionen so gut wie Hans Küng. Mit seiner eigenen Kirche liegt er jedoch über Kreuz. Als Therapie für ein verkrustetes Christentum empfiehlt der sprachgewaltige Schweizer "Bewegung, frische Luft und Sonne". Am 19. März wird Küng 85 Jahre alt.
19.03.2013
epd
Stephan Cezanne

Er erinnert eher an einen agilen Skilehrer im Ruhestand als an einen Theologieprofessor: Mit einer immer noch beachtlichen Vitalität mischt Hans Küng in der obersten Weltliga der Religionsexperten mit - allerdings außerhalb jeder kirchlichen Hierarchie.

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Ende 1979 hatte ihm Rom wegen seiner kritischen Sicht auf die Kirche die katholische Lehrerlaubnis entzogen. Doch dies hinterließ keine Schatten auf einer der brillantesten akademischen Karrieren des 20. Jahrhunderts. Im Gegenteil: Gerade mit seinem Ruf als "Ketzer" eroberte er sich ein Millionenpublikum, obwohl ihm die Rolle des Papstkritikers "keineswegs angenehm" ist, wie er sagt.

Seit mehr als 50 Jahren wirbt er für ein zeitgemäßes Christentum. Christsein heißt für ihn "wahrhaft Mensch zu sein". Was den aktuellen Zustand seiner Kirche angeht, ist Küng heute so ungeduldig wie in den 60er Jahren, als er als junger Tübinger Professor zum Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils berufen wurde.

Kein Frieden zwischen den Nationen ohne Frieden unter den Religionen

Mit Joseph Ratzinger, dem inzwischen emeritierten Papst Benedikt XVI., war er damals der jüngste Konzilstheologe. Doch in den Dienst der Kirche treten wollte er schon damals nicht. "Das hätte mich zu einem Diener des Systems gemacht, der nicht mehr die Wahrheit hätte sagen dürfen", sagte Küng der Zeitschrift "Publik-Forum".

In den vergangenen Jahrzehnten engagierte sich Küng vor allem für den Dialog der Religionen. Der hochbegabte älteste Sohn eines Schuhhändlers im Schweizer Kanton Luzern predigt seit den 80er Jahren unermüdlich seine einfache Formel: Kein Frieden zwischen den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden zwischen den Religionen ohne Dialog.

Von Politik, Kirche und Wissenschaft fordert Küng seit langem einen umfassenden Bewusstseinswandel. Modelle für ein friedliches 21. Jahrhundert sucht seine Stiftung "Weltethos". Bis zur Emeritierung 1996 lehrte Küng ökumenische Theologie und leitete das Tübinger Ökumene-Institut.

Küng sieht keinen theologischen Grund für Kirchentrennung

Küng betont immer wieder sein eigenes "Katholischsein". Doch seiner Kirche bescheinigt er Osteoporose. Die "Schwäche der kirchlichen Amtsstruktur, die zur Lähmung und zum Zusammenbruch führen könne", gleiche dem Abbau der Knochensubstanz in einem Skelett.

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Der Zustand der "Patientin Kirche" sei ernst, schreibt Küng 2011 in seinem Buch "Ist die Kirche noch zu retten". Rettungsmaßnahmen seien nötig, wenn man die Zukunftsfähigkeit der Kirche nicht verspielen wolle - nicht nur Gespräche "zur Beruhigung der Gläubigen", sondern entschiedene Schritte zur Reform der Kirche. Als "Therapie" empfiehlt Küng "Bewegung, frische Luft und Sonnenlicht".

Zum Stand der Ökumene bilanziert er nüchtern: "Die meisten Katholiken und Protestanten kümmern sich schon gar nicht mehr um die Spaltung. Sie leben die Ökumene ganz selbstverständlich und unbekümmert um römische Dekrete in Dogma und Moral an der Basis." Es gebe keinen "theologischen Grund, warum Rom die Ämter der anderen Kirchen nicht endlich anerkennt und die Abendmahlsgemeinschaft nicht hergestellt werden kann", ist Küngs Grundüberzeugung.

Die These vom Weltethos

Die rasante Globalisierung in den Bereichen Wirtschaft, Technologie und Medien verlange eine Steuerung durch eine weltweite, ethisch verantwortete Politik, fordert er etwa in seinem großangelegten Medien-Projekt "Spurensuche". Küng: "Globale Politik bedarf der Fundierung durch ein globales Ethos, ein Weltethos."

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Religionen seien Küng zufolge eben nicht "in erster Linie Brutstätten eines Fundamentalismus oder glühender Jenseitsliebe, sondern die moralischen Weltagenturen schlechthin", heißt es in einem Beitrag des langjährigen Küng-Mitarbeiters Hermann Häring in dem evangelischen Magazin "Zeitzeichen" vom März 2013.

Küng sei zum überkonfessionellen, zum "faktisch interreligiösen Theologen" geworden, würdigt ihn der Theologieprofessor Häring. Küngs klare, unprätentiöse und dabei geistreiche Sprache brachte ihm allerdings auch gelegentlich den Vorwurf ein, er vereinfache zu stark. Weil er bereits mit 32 Professor war, hatte er früher das Etikett "Teenager-Theologe".

Ein halbes Jahrhundert später fragt Küng in einer seiner Autobiografien "Wie geht es mit mir weiter?" und gibt gleich die Antwort: Er wolle weiter "um der Wahrheit willen Widerstand leisten" und sich für den Dialog zwischen den Religionen, Philosophien und Kulturen starkmachen.