Hart aber fair: Die Kirchen und die Selbstbestimmung

Frank Blasberg im Studio von "Hart aber fair"
Foto: WDR/Klaus Görgen
Frank Blasberg im Studio von "Hart aber fair"
Hart aber fair: Die Kirchen und die Selbstbestimmung
Die Welt blickt nach Rom, auf den Schornstein des Vatikans. Aber warum? Was fasziniert so sehr an der Wahl des neuen Pontifex? Und warum reden die Kirchen in allen gesellschaftlichen Fragen mit? "Viel Rauch um was eigentlich?", hatte Frank Plasberg seine Talkrunde überschrieben. Auf die Frage, die er eigentlich beantworten wollte, fand die Runde keine Antwort. Aber sie zeigte, wo die Schwierigkeiten der Kirchen liegen – und warf endlich mal evangelische und katholische Kirche nicht in einen Topf.
11.03.2013
evangelisch.de

Maßen sich die Kirchen einen Einfluss an, den sie längst nicht mehr haben? Das ist Frank Plasbergs Einstiegsfrage. Es ist nicht die Frage, die Frank Plasbergs Gäste zu Beginn der Sendung diskutieren. Stattdessen entsprinnt sich zwischen Weihbischof Hans-Jochen Jaschke und Jürgen Domian ein wunderbares (und respektvolles) Gespräch über die Frage von Besitz und Besitzlosigkeit. Es führt auf eine Kernfrage des Glaubens zurück: Wie wichtig ist Jesus?

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Weihbischof Jaschke verteidigt die katholische Kirche: "Das Petrusamt ist für mich ein Geschenk, das Christus seiner Kirche machte, damit die Kirche einen Fixpunkt hat, auf dem der menschliche Glaube gebaut ist. Natürlich muss Christus der Grund der Kirche sein, aber der Papst ist schon eine wichtige Institution."

Domian, der selbst aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist, sieht das ein bisschen anders und formuliert das auch deutlich: "Wenn Jesus heute auf der Welt wäre, würde er sich angewidert abwenden. Ich glaube, dass Jesus nichts am Hut hätte mit Kurie, mit Edelsteinen, mit dem ungeheuren Reichtum im Vatikan." Nächstenliebe, Demut und Bescheidenheit, auf diesen drei Säulen ruhe die christliche Religion, erklärt Domian. Und die Kirchenbürokratie des Vatikan habe damit nichts mehr zu tun: "Selbst Jesus wollte nicht mit Seine Heiligkeit angesprochen werden."

Jaschke nimmt's mit Humor, er kann darüber lachen. "Die Versuchung ist immer, dass wir so werden wie der Pharisäismus, den Jesus immer gegeißelt hat", sagt er. Dass der Vatikan dieser Versuchung zu verfallen droht, sagt Jaschke nicht, aber man bekommt den Eindruck, dass er dennoch selbst kritisch nach Rom blickt.

Petra Bosse-Huber: "Wir machen es anders, aus gutem Grund"

Frank Plasberg moderiert die Runde gut. Er findet die richtigen Stichworte, um die Diskussion weiterzudrehen, und hält auch den Medienprofi Domian davon ab, die Diskussion völlig zu domianieren. Den Weihbischof Jaschke nennt Plasberg den "liberalen Ausputzer" – der lässt sich das gefallen, sagt aber auch: "Ich werde oft gebeten, aber nie geschickt." Und wünscht sich zugleich, dass auch andere katholische Kirchenleitende sich "offensiver in die Öffentlichkeit stellen".

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Offensiv in die Öffentlichkeit stellt sich dafür Petra Bosse-Huber, stellvertretende Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Im Gegensatz zu vergangenen Talkshows in den öffentlich-rechtlichen Sendern hat Plasberg eine profilierte Protestantin eingeladen, die dafür sorgt, dass endlich mal die katholische und die evangelische Kirche nicht immer in einen Topf geworfen werden. Der "Zauber" des Konklaves tangiere sie nur periphär, sagt sie. "Wir brauchen den Papst nicht, um uns als Protestanten gegenüber der katholischen Kirche abzugrenzen", hält sie Weihbischof Jaschke ohne Zögern entgegen.

Auch auf den Fall des in zwei katholischen Krankenhäusern abgewiesenen Vergewaltigungsopfers kommt die Runde zu sprechen. Petra Bosse-Huber verweist darauf, dass ein evangelisches Krankenhaus der Frau geholfen hat: "Ich ärgere mich, wenn ich unter der Überschrift verhauen werde: 'Die Kirchen haben...', oder 'Kirchliche Krankenhäuser haben...' Wir machen es anders, und das aus gutem Grund."

Selbstbestimmung gegen Glaubensvorschriften

Der Kölner Fall führt die Runde in die Debatte über den Umgang mit Sexualethik und Kondomen. Das enthüllt einen Grundkonflikt, der insbesondere die katholische Kirche oft ins Schlingern bringt: Die Menschen, auch die Menschen in der Kirche, wollen nicht fremdbestimmt sein – ein Satz, der genauso auch in dem Einspieler zur Finanzierung kirchlicher Einrichtungen und zum kirchlichen Arbeitsrecht fällt, der dieser Tage in keiner ARD-Talkshow fehlen darf.

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Die Menschen wollen also selbst entscheiden dürfen, was sie tun und lassen sollen. Sie wollen Christen sein dürfen und ihren christlichen Glauben leben, ohne jede einzelne als archaisch empfundene Glaubensvorschrift erfüllen zu müssen. Das kann man "Glaube light" oder "Patchwork-Religion" nennen. Man muss aber auch erkennen, was Petra Bosse-Huber auf den Punkt bringt: "Die Kirche ist nur insoweit von dieser Welt, wie sie die Menschen in dieser Welt auch beteiligt."

Domians Einwurf, beide Kirchen sollten sich aus dem Privatleben raushalten, geht auch in Richtung Selbstbestimmtheit, und gerade beim Thema Sexualethik und Kondome kommt Weihbischof Jaschke ins Schwimmen. Er bleibt auf der Papst-Linie, Kondome als "Beginn der Moralität", als Instrument, um Sexualität verantwortungsvoll zwischen den Menschen zu "ordnen". Aber er weiß auch: Die katholische Kirche kann nicht hinter das Dogma zurück.

Nächstenliebe, Demut, Bescheidenheit

Domian lässt nicht locker: "Verstehen Sie, dass genau dieses Kondom das Symbol dafür ist, dass die Menschen sagen: Wir wollen nicht warten, bis sich diese Kirche bewegt?" Jaschke scheint ganz froh, dass Plasberg an dieser Stelle den Ball Petra Bosse-Huber zuspielt. Sie formuliert mit Blick auf die Nachkriegsgesellschaft und die evangelische Kirche: "Die entscheidenden Breschen sind geschlagen worden, als Frauen Subjekte waren und nicht mehr Objekte."

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Auch Majella Jenzen, ehemalige Ordens- und Krankenschwester, die 33 Jahre Menschen in Afrika half, hat versucht, so eine Bresche zu schlagen. Sie wurde wegen des Verteilens von Kondomen aus der karitativen Arbeit und dem Orden geworfen. Katholikin ist sie dennoch geblieben, weil Gott sie nicht verlassen habe, sagt sie. Jenzens Beispiel zeigt eines: Menschen, die vom christlichen Glauben durchdrungen sind und deshalb Nächstenliebe, Demut und Bescheidenheit ernst nehmen und leben wollen – die tun dieser Welt und den Menschen in ihr gut. So gut, dass Domian voll Bewunderung ausrief: "Frau Lenzen, werden sie doch Papst!"