Ein Denkmal bröckelt

Foto: epd-bild/Gustavo Alabiso
Das Geburtshaus von Philipp Melanchthon (1497-1560) in Bretten bei Karlsruhe.
Ein Denkmal bröckelt
Beim Brettener Melanchthonhaus krümelt der Sandstein ab
Noch ist unklar, wie groß das Ausmaß der Schäden beim abbröckelnden Sandstein am Melanchthonhaus in Bretten sein wird. Derzeit ist das Gebäude eingerüstet, in den nächsten Wochen wird eine Gutachterin Stein für Stein unter die Lupe nehmen.
06.03.2013
epd
Ralf Schick

Im zweiten Obergeschoss des mit Stein, Glas und Stahl modern gestalteten Hauses der Europäischen Melanchthon-Akademie schweifen die Blicke über mittelalterliche Fachwerkhäuser zu grünen Hügellandschaften in der Ferne. Das ehemalige, nach einem Brand im Stil des Historismus wieder aufgebaute Geburtshaus von Melanchthon liegt am Marktplatz der einst kurpfälzischen 28.000-Einwohner-Stadt Bretten, seit 110 Jahren ist es Reformationsgedenkstätte.

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Doch kaum feiert das eine Melanchthonhaus in Wittenberg nach mehr als zweijähriger Sanierung einen Besucheransturm nach der Neueröffnung, da bröckelt der Sandstein am anderen Melanchthonhaus am Geburtsort des berühmten Reformators. In den kommenden Tagen und Wochen wird die Steinbildhauerin Antje Bessau aus Karlsruhe das Denkmal überprüfen.

"Ich werde jetzt erst mal eine Bestands- und Zustandsaufnahme machen müssen", sagt Bessau. Erst dann wird das Ausmaß der Schäden durch den seit Wochen abbröckelnden Sandstein an der zuletzt vor 30 Jahren generalsanierten Fassade sichtbar werden. "Wenn in den Naturstein Wasser eingedrungen sein sollte ist es sicherlich ein großer Schaden", ergänzt Architekt Alexander Wetzel.

Auf Herz und Nieren prüfen

"Wenn das Wetter mitmacht, dauert die Untersuchung zwei bis drei Wochen", so die Steinbildhauerin Bessau. Mit verschiedenen Buntstiften und Hämmern wird sie auf dem Gerüst die Nordfassade "auf Herz und Nieren" prüfen: Stein für Stein wird abgeklopft "um zu hören, ob die Steine hinter der vielleicht noch intakten Oberfläche hohl sind". Mit den Stiften kennzeichnet sie dann die Schäden. "Ich schaue auch nach Rissen oder ob und wo er absandet", sagt die Gutachterin. Danach werden die Ergebnisse in ein spezielles Computerprogramm übertragen, das gleich mitrechnet, wie viele Meter Risse gefüllt werden müssen.

Mit dem Bau des Melanchthonhauses als reformationsgeschichtliche Gedenk- und Forschungsstätte wurde 1897 auf Anregung des Berliner Kirchenhistorikers und Archäologen Nikolaus Müller begonnen, 1903 wurde es eingeweiht. Es enthält neben Museum und einer Forschungsstelle eine der umfangreichsten Melanchthon-Spezialbibliotheken und eine Dokumentationsstelle der internationalen Melanchthonforschung.

Herzstück ist eine Gedächtnishalle mit Fresken und Räume mit rund 11.000 Büchern, 450 Autographen, Statuen, Wappen, Gemälden, Gedenkmünzen und Grafiken. Die aus Wand- und Deckentäfelungen, Skulpturen, Wandgemälden und sonstigen Kunstwerken, Bücherschränken, Vitrinen und anderem Mobiliar bestehende Innengestaltung samt wertvoller Butzenscheiben blieb seit 1903 unverändert.

Kontakt mit 121 Städten

Im Städtezimmer zieren die Wappen der 121 Städte die Decke, mit denen Melanchthon nachweislich Kontakt hatte. Das Theologenzimmer erinnert an die Kirchenmänner, mit denen der Reformator befreundet war. Im Fürstenzimmer hängen Ölgemälde der Fürsten, die für die Reformationsgeschichte eine wichtige Rolle spielten. Im Humanistenzimmer schließlich begegnet man zeitgenössischen Vertretern von Wissenschaft und Kunst.

Melanchthons Geburtshaus wurde 1689 durch französische Truppen infolge der Pfälzer Erbfolgekriege niedergebrannt. 1705 begannen an dieser Stelle die Gebrüder Alexander und Johann Philipp Würz mit dem Bau eines Doppelhauses, das später lange Zeit als Geburtshaus angesehen und 1896 abgerissen wurde.

Seit 2004 ist das Melanchthonhaus Bretten auch Sitz der Europäischen Melanchthon-Akademie. Ihr Ziel ist es, das geistige und kulturelle Erbe Melanchthons für das heutige Europa zu erforschen. Dazu gehören neben der Reformations- und Religionsgeschichte auch die Frühneuzeitforschung, Politik, Ethik, Bildungsgeschichte sowie der interkonfessionelle und interreligiöse Dialog. Neben der historischen und systematischen Grundlagenforschung werden auch Stipendien- und Symposienprogramme angeboten.