Der kleine Gerichtssaal in Tel Aviv war überfüllt. 58 Familien aus der überwiegend von palästinensischen Christen bewohnten Kleinstadt Beit Jala und die Ordensfrauen des Salesianer-Klosters hatten Einspruch erhoben gegen den geplanten Bau der israelischen Sperranlagen auf palästinensische Feldern im Cremisan-Tal. "Das Gericht in Tel Aviv wird darüber entscheiden, ob meine Gemeinde von einer Mauer getrennt werden wird", schrieb Ibrahim Schomali, katholischer Pfarrer aus Beit Jala, in der israelischen Tageszeitung "Haaretz". Schomali wirbt dafür, "Brücken zu bauen und der Vision der zwei Staaten zu folgen" anstatt mit Mauern auf palästinensischem Land Gewalt auf beiden Seiten zu fördern.
Jeden Freitag hält Pfarrer Schomali eine Freiluftmesse genau an der Stelle, wo Israel die Mauer bauen will. Aus Protest dagegen, dass Beit Jala vom Umland abgeschnitten werden soll, betet die Gemeinde auf dem Gelände des Cremisan-Klosters, das unmittelbar an den geplanten Mauerverlauf grenzt. "An wen sollten wir uns wenden?", fragt Pater Ibrahim in seiner Predigt. "Obama wird nichts für uns tun und auch die Europäer nicht. Nur Gott kann uns helfen."
Das Grundstück des Cremisan-Klosters gehört zu den wenigen Grünflächen im Gebiet um Bethlehem. Schon sieben Jahre ist es her, dass Nachbarn des Klosters an Bäumen und Häusern Zettel der Armee fanden mit der Ankündigung vom bevorstehenden Bau einer Trennanlage zur Sicherheit der israelischen Bürger. Ganze 14 Tage blieben den Anwohnern damals, um Einspruch zu erheben.
Ein hässlicher Streifen in der idyllischen Hügellandschaft
Manal Hazzan, eine junge Anwältin aus Jerusalem, vertritt die Ordensschwestern des Cremisan-Klosters. Sollte der Plan des israelischen Verteidigungsministeriums umgesetzt werden, "würde das Kloster von der Mauer umgeben werden", sagt Hazzan. Die Ordensfrauen unterhalten eine Grundschule, die von rund 400 christlichen und muslimischen Schülern besucht wird. "Wir haben Angst, dass den Schülern mit dem Bau der Mauer der Zugang zum Kloster versperrt wird", erläutert Hazzan. Außerdem sorgen sich Eltern und Lehrer, dass nach dem Bau der Trennanlage israelische Soldaten regelmäßig Patrouillen fahren.
"Die Anlage soll auf landwirtschaftlich genutztem Land errichtet werden", berichtet die Anwältin. Sie vermutet, dass auf Kosten der palästinensischen Bauern eine Verbindung zwischen den beiden israelischen Siedlungen Gilo und Har Gilo entsteht. Denn ein erkennbares Sicherheitsrisiko für den vorgesehenen Verlauf gebe es nicht. "Die Mauer könnte genauso gut jenseits des Hügels verlaufen", argumentiert Hazzan.
So oder so würde die Sperranlage einen hässlichen Streifen durch die idyllische Hügellandschaft mit Weinreben, Mandel- und Olivenbäumen reißen, die für die Bewohner von Beit Jala ein beliebtes Ausflugsziel darstellt.
"Wenn sie eine Mauer haben wollen, sollen sie sie auf ihrem Land bauen"
Seit Ende des 19. Jahrhunderts bauen Salesianer-Mönche hier Wein an. Ein halbes Dutzend Ordensleute betreibt das klösterliche Weingut. Die Mönche einigten sich anfangs mit Israel darüber, das Nonnenkloster auf palästinensischer Seite der Trennanlagen zu belassen, das Männerkloster hingegen auf israelischer. "Das Geschäft schien ihnen wichtiger zu sein", meint eine Anwohnerin. Denn bei 98 Prozent Muslimen in Palästina bieten sich in Israel oder im Ausland bessere Absatzchancen für den Klosterwein.
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Anwältin Hazzan sagt, dass es sich bei "der Einigung um Gerüchte handelt". Mittlerweile zögen beide Klöster am gleichen Strang. "Wenn die Israelis unbedingt eine Mauer haben wollen, dann sollen sie auf ihrem eigenen Land bauen", empfiehlt Pfarrer Schomali.
Die Tatsache, dass der Oberste Gerichtshof schon mehrfach gegen die Armee entschied und die Pläne für den "Sicherheitszaun" geändert werden mussten, stimmt die Anwältin Hazzan optimistisch. Denn wenn die Richter in Tel Aviv den Einspruch abweisen, wollen die Leute von Beit Jala und das Frauenkloster vor das Oberste Gericht ziehen.