Außerhalb des alemannischen Sprachraums kennt man den "Schmotzigen Dunschtig" als Weiberfastnacht, aber wie man’s nennt, spielt keine Rolle. Viel entscheidender ist die Tatsache, dass die Menschen an diesem Tag außer Rand und Band und vor allem verkleidet sind; das macht es der Polizei ausgesprochen schwer, einen Mörder zu finden. "Schmutziger Donnerstag" ist zwar nicht der erste "Tatort", der sich ins Karnevalsgetümmel stürzt, aber trotzdem sind solche Filme relativ rar; die Dreharbeiten sind naturgemäß eine logistische Herausforderung. Das Besondere an diesem Krimi ist jedoch vor allem der Regisseur. Der Schweizer Dani Levy, seit über dreißig Jahren Berliner und Schöpfer erfolgreicher Kinokomödien wie "Alles auf Zucker", "Väter" oder "Mein Führer", hat nicht nur zum ersten Mal in seinem Geburtsland gedreht; der Film ist auch sein Fernsehdebüt. Das steigert natürlich die Erwartungen, und tatsächlich fällt sein Werk deutlich aus dem Rahmen; gerade gemessen an den bisherigen "Tatort"-Beiträgen aus Luzern.
Vom Sensenmann erdolcht
Levy ist kein Freund großer Proben oder allzu detaillierter Absprachen. Da sein Bildgestalter Carl-Friedrich Koschnick zudem mit zwei Kameras gleichzeitig drehte, zeichnet sich "Schmutziger Donnerstag" auch dank der vielen Orts- und Szenenwechsel durch eine ungeschliffene Dynamik aus, die für Schweizer Verhältnisse fast schwindelerregend ist. Die Aufnahmen aus dem echten Straßenkarneval sorgen für zusätzlichen Realismus. Dazu passt, dass die Nerven von Reto Flückiger (Stefan Gubser) blank liegen: Er ist zwar ein Fasnachtsignorant, hat aber wegen des Krachs kein Auge zugetan und ist entsprechend grantig. Weil er nach einem Mord in den frühen Morgenstunden aus dem Bett geholt wird, läuft er fortan ziemlich derangiert durch den Film. Auch die lautstarken Auseinandersetzungen in der Abteilung sind ein völlig neues Element.
Seine Faszination aber verdankt der Film der Mörderjagd: Als der Leiter des Luzerner Bauamts mitten im Karnevalstrubel vom Sensenmann erdolcht wird, hält die Polizei den Mord zunächst für das gewalttätige Ende einer Korruptionsaffäre; der Mann war Mitglied einer einflussreichen Fasnachtszunft und wollte offenbar ein lukratives Bauvorhaben einem Kumpan zuschustern. Doch dann stirbt ein weiteres Mitglied des Zunftvorstands, und schließlich ahnt Flückiger, dass es jemand auf den Vorstand abgesehen hat. Der Mörder wechselt jedoch ständig seine Verkleidungen. Flückigers Forderung, den Karneval komplett abzublasen, weil ein Schutz der anderen Vorstandsmitglieder sonst nicht möglich sei, sorgt bei seinen Vorgesetzten für verblüffte Heiterkeit.
Flückigers Fasnachtsphobie sorgt selbstredend für ständige Reizpunkte. Stefan Gubser, ohnehin der Hauptgrund, die anfangs doch recht behäbigen "Tatort"-Beiträge aus der Schweiz anzuschauen, verleiht der Figur noch mehr Tiefe; und das nicht nur, weil er die Erschöpfung des Kommissars sehr glaubwürdig verkörpert. Er wird körperlich ohnehin sehr strapaziert; eine Verfolgungsjagd über die Dächer der Stadt wirkt überzeugend gefährlich, und am Ende muss sich der bedauernswerte Ermittler auch noch eine Droge injizieren lassen (Drehbuch: Petra Lüschow); Levy nutzt das prompt, um seinem Krimi auch noch eine experimentelle Ebene zu verpassen. Eher überflüssig ist die lesbische Liaison von Flückigers Partnerin (Delia Mayer), aber sie stört auch nicht weiter.