Tacheles: Jedes Leben hat einen Wert

Foto: © epd-bild / Jens Schulze/Jens Schulze
Der Kasseler evangelische Bischof Martin Hein (auf dem Monitor vorne) lehnt Gentests an künstlich erzeugten Embryonen außerhalb des Mutterleibes strikt ab.
Tacheles: Jedes Leben hat einen Wert
Ein einfacher Bluttest in der Schwangerschaft verspricht Auskunft darüber, ob ein Kind behindert sein wird. Ist der Test ein Fortschritt, weil er riskantere Verfahren ersetzt? Oder verstößt er gegen die Menschenwürde? Darüber sollen die Anwesenden diskutieren. Doch evangelischer Anspruch und evangelischer Standpunkt stehen sich bei Tacheles im Weg.
27.01.2013
evangelisch.de

"Wenn der Mensch zum Schöpfer wird: Per Gentest zum Körper nach Maß." Schon am Titel der Tacheles-Diskussionrunde, dem Talk am roten Tisch der evangelischen Kirche, kann man ablesen, dass die Diskussion eigentlich schon entschieden ist. Der Mensch macht sich selbst zum Schöpfer? Wollen wir Körper nach Maß designen? Natürlich will das keiner in der evangelischen Kirche und auch in großen Teilen der Gesellschaft will das niemand.

Deswegen ist es schade, dass die zwei Mediziner, Frauenärztin Barbara Baier und Humangenetiker Klaus Zerres, von Anfang in eine Ecke gestellt werden, in der sie sich ganz offensichtlich selbst nicht sehen, aus der sie aber kaum entkommen dürfen. In der Ecke derjenigen, die es auf die leichte Schulter nehmen Behinderte durch vorgeburtliche Tests auszusondern.

Entlastung für Schwangere

Barbara Baier versucht deshalb wiederholt zu versichern, dass es nicht darum gehe Behinderungen zu suchen, um sie auszuschalten. Sondern darum, mit den Betroffenen zu ermitteln, ob und wie das Leben mit einem behinderten Kind für die Eltern möglich gemacht werden kann.

Als Humangenetiker Zerres darüber spricht, dass Behinderten eine höhere kulturelle Wertschätzung erfahren müssten, darf er so lange ausreden, bis er über die Schwierigkeiten der Angehörigen sprechen möchte - die er aus seiner täglichen Beratungsarbeit kennt. Schwierigkeiten, die ein Leben mit Behinderungen mit sich bringt, dürfen in dieser Sendung nicht benannt werden. So endet jegliche Diskussion in sozial erwünschten Redebeiträgen. Was schade ist, weil sich der evangelische Standpunkt und der evangelische Anspruch hier selbst im Wege stehen.

Humangenetiker Klaus Zerres berät ebenso wie Barbara Baier jeden Tag Betroffene. Beide sind sich einig, dass der medizinische Fortschritt auch eine Entlastung für alle Schwangeren ist.

Gesellschaftliche Akzeptanz pränataler Tests

Die Sendung gleitet auf Redebeiträgen dahin, die sich gegenseitig den Wert des Lebens versichern. Was natürlich evangelisch ist und sein muss, doch so oft wiederholt wird, dass es zu einer echten Diskussion nicht kommen kann.

Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, betont den Wert allen Lebens, auch des in seinen Möglichkeiten begrenzten. Er erzählt was für glückliche Eltern Bekannte von einem behinderten Kind sind.

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Buchautorin Monika Hey ("Der gläserne Bauch) fühlte sich im Alter von 46 Jahren von ihrer Frauenärztin unter Druck gesetzt, abzutreiben, weil bei der Nackenfaltenmessung eine Behinderung erkannt worden sei. Jetzt bereut sie die Abtreibung. Eine Mutter erzählt vom Glück mit ihrer dritten Tochter, die das Down-Syndrom hat, ein junger Zuschauer betont, dass er jedes Leben annehmen werde.

Im Laufe der Sendung einigen sich alle Anwesenden darauf, dass man den medizinischen Fortschritt nicht aufhalten kann und es gesellschaftlich akzeptiert ist, dass es pränatale Tests gibt, die Behinderungen aufdecken können.

Letztlich entsteht jedoch der Gesamteindruck einer hilflosen Gruppe, die sich gegenseitig versichert Behinderte in die Mitte der Gesellschaft holen zu wollen, es aber nicht kann, weil die Gesellschaft der "Rasterfahndung" nach behindertem Leben nicht entkommt. Das eigentliche Thema jedoch, eine Diskussion über Vor- und Nachteile der Pränataldiagnostik, bleibt außen vor.