Wenn ein Angriff zivile Opfer fordert, wird dies gern mit dem militärischen Begriff "Kollateralschäden" umschrieben. Der Film "Mobbing" spielt zwar in einer friedlichen süddeutschen Kleinstadt, aber im Mittelpunkt der Handlung steht trotzdem ein Begleitschaden. Es macht dabei einen großen Reiz der Geschichte aus, dass der eigentliche Auslöser komplett ausgespart bleibt: Der Film wird konsequent aus kollateraler Sicht erzählt. Damit übernehmen Eva und Volker A. Zahn die Perspektive des Romans von Annette Pehnt, der ihrem Drehbuch zugrunde liegt.
Die mittelbaren Folgen des Psychoterrors
Glaubwürdig und dennoch sympathisch beiläufig führt die für das Schülerdrama "Ihr könnt Euch niemals sicher sein" vielfach ausgezeichnete Nicole Weegmann die beiden zentralen Figuren ein: Jo Rühler (Tobias Moretti) arbeitet fürs Kulturdezernat, Gattin Anja (Susanne Wolff) ist Übersetzerin in der Babypause. Ihr ehelicher Alltag ist ausgesprochen liebevoll, was die Regisseurin durch kleine alltägliche Begebenheiten illustriert. Mit der gleichen Zurückhaltung inszeniert sie den Schatten, der auf die Familie fällt: Jo leidet unter seiner neuen Chefin. Im Verlauf der Handlung wird diese Frau mehr und mehr zum Popanz, der am Ende das kleine Glück komplett zerstört.
Entsprechend klug war die Entscheidung, die Frau stets nur als dritte Person vorkommen zu lassen. Es wird auch nicht erklärt, warum sie sich so destruktiv verhält. Auf diese Weise entwickelt sie sich dank Jos Schilderungen in der Fantasie des Zuschauers mehr und mehr zum Monster. Seinen Arbeitsplatz bekommt man gleichfalls nicht zu sehen: Das Verwaltungsgebäude wird immer nur von außen gezeigt, weil der Film nie Anjas Perspektive verlässt. Es geht in der Geschichte also dem Titel zum Trotz gar nicht ums direkte Mobbing, sondern um die mittelbaren Folgen des Psychoterrors. Ein beredtes Sinnbild dafür ist ein großer Baum: Als Jo schließlich unter einem fadenscheinigen Vorwand fristlos gekündigt wird, hat er endlich Zeit, einen Baum zu fällen, der ihn schon lange gestört hat und dessen Trümmer fortan den Garten blockieren. Wiederholt zeigt Weegmann das kleine Grundstück aus extremer Draufsicht, was dem Film immer wieder den Charakter einer Fallstudie verleiht; in Haus und Garten spielt sich auch ein Großteil der Handlung ab. Jo ist auf den Prozess am Arbeitsgericht fixiert, und am Ende wird die Abwärtsspirale tatsächlich gestoppt, Stamm und Äste sind zerlegt und ordentlich gestapelt; doch der Schein trügt.
Natürlich geht der Film mit dem Verzicht auf jedes Spektakel ein gewisses Wagnis ein. Die Konflikte am Arbeitsplatz sind stets bloß Hörensagen, Weegmann inszeniert allein die Folgen, und selbst dabei beschränkt sie sich noch: Einziges optisches Zugeständnis an Jos geistige Verwahrlosung ist der Schlafanzug, in dem er nach seinem Rauswurf auch tagsüber rumläuft. Trotzdem wird man Augenzeuge, wie die Ehe langsam zerbricht: weil Weegmann mit Tobias Moretti und Susanne Wolff herausragende Hauptdarsteller hat, deren nuanciertes Spiel völlig ausreicht, um die schleichende Zerrüttung der gemeinsamen Basis zu verkörpern.