Deutschland und Frankreich: Grenzenlose Freundschaft

Geburtstagskuchen mit deutsch und französischer Flagge
Foto: Fotolia/Wolfgang Mücke
Élysée-Vertrag wird 50 Jahre alt - Deutsche und Französische Kirchen am Oberrhein und in der Großregion Saar-Lor-Lux arbeiten schon lange zusammen.
Deutschland und Frankreich: Grenzenlose Freundschaft
Heute vor 50 Jahren wurde der Elysée-Vertrag geschlossen. Die Kirchen im Grenzgebiet pflegen die deutsch-französische Freundschaft seit Jahrzehnten. Doch in ihr Engagement ist der Alltag eingekehrt. Vor allem junge Menschen zeigen weniger Interesse an Sprache und Kultur des Nachbarn.
22.01.2013
epd
Alexander Lang

Sie leben die Versöhnung über Grenzen und Gräber hinweg: In fast allen Bereichen arbeiten deutsche und französische Kirchen am Oberrhein und in der Großregion Saar-Lor-Lux schon seit Jahrzehnten eng zusammen. "Wir leben als Kirchen ein Stück Europa vor", urteilt der pfälzische Ökumenedezernent Manfred Sutter. Er engagiert sich bereits seit langem in der Zusammenarbeit der pfälzischen Landeskirche mit der Union der Protestantischen Kirchen von Elsass und Lothringen.

Und doch wird seine Vision einer grenzüberschreitenden protestantischen Kirche, die die Regionen Pfalz, Baden, das Elsass und die Nordschweiz umfasst, noch lange auf sich warten lassen: Zu unterschiedlich sind die kirchlichen Strukturen - und zu schlecht die Sprachkenntnisse, besonders bei jungen Menschen. In die grenzüberschreitenden Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen am Rhein und an der Saar ist - im positiven wie im negativen Sinne - der Alltag eingekehrt.

Gemeinsames Gesangbuch

Die deutsch-französische Versöhnung sei "kein Thema mehr, weil sie so normal ist", urteilt Sutter. Vor 50 Jahren, am 22. Januar 1963, legten der französische Präsident Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer mit dem Élysée-Vertrag in Paris dafür den Grundstein. Es ist auch den Kirchen zu verdanken, dass sich die ehemaligen Erzfeinde nach 1945 die Hände reichten. Die Kirchen haben bereits unmittelbar nach Kriegsende begonnen, Brücken zu schlagen.

###mehr-artikel###

Heute gibt es auf beiden Seiten des Rheins gemeinsame regionale Konferenzen der Kirchen, Gottesdienste, Kirchentage, ein gemeinsames Gesangbuch, einen zweisprachigen Kirchenführer. Kirchenmusiker musizieren zusammen, Gemeinden organisieren Jugendtreffen oder einen deutsch-französischen Stammtisch.

"Man muss der Partnerschaft immer wieder Impulse geben, denn sie ist wie ein Feuer, das sonst herunterbrennt", sagt Marc Seiwert. Der Inspektor (Dekan) aus dem elsässischen Wissembourg (Weißenburg) ist von der Idee seines Freundes Sutter von einer Kirchenunion am Oberrhein begeistert. Allerdings verhindere der Status der elsässisch-lothringischen Kirche mit ihren rund 250.000 Gemeindemitgliedern als Körperschaft des öffentlichen Rechts momentan ein Zusammengehen, sagt er.

Französischer Staat hat Einspruchsrecht

Der französische Staat, der die Pfarrer bezahlt, habe ein Einspruchsrecht, dämpft Seiwert allzu hohe Erwartungen. Auch gebe es bei manchen Elsässern und Lothringern noch immer Befürchtungen, "aufgefressen" zu werden in einer von Deutschen dominierten Unionskirche.

"Da, wo die Brücken sind, ist die Kooperation", urteilt die Karlsruher Kirchenrätin Susanne Labsch mit Blick auf die zahlreichen Kirchenpartnerschaften. Ein ökumenisches grenzüberschreitendes Großereignis sei Ende des Jahres mit dem europäischen Jugendtreffen von Taizé in Straßburg und in der badischen Region Ortenau geplant. Dazu würden rund 5.000 Jugendliche erwartet.

Doch mangelndes Interesse am Nachbarn und auch unterschiedliche Schulsysteme in Frankreich und Deutschland führten dazu, dass sich immer weniger junge Menschen sprachlich miteinander verständigen könnten, sagt Labsch. Außerdem fehlten französischsprechende Pfarrer.

"Ohne Menschen geschieht nichts"

Auch in der Grenzregion zwischen dem Saarland, dem Elsass, Lothringen und Luxemburg bemühen sich die Kirchen, die Versöhnungsidee voranzutreiben. Im Arbeitskreis "Evangelisch Saar-Lor-Lux" organisieren Kirchen gemeinsame Projekte, berichtet die Leiterin der Evangelischen Akademie im Saarland in Völklingen, Johanna Wittmann. Dazu gehören etwa gemeinsame Exkursionen auf den Spuren der Hugenotten, der französischen protestantischen Glaubensflüchtlinge.

###mehr-links###

"Ohne Menschen, denen die grenzüberschreitende Arbeit am Herzen liegt, geschieht nichts", urteilt Rudolf Ehrmantraut, neuer Generalsekretär der Konferenz der Kirchen am Rhein in Straßburg, der alle evangelischen Kirchen längs des Rheines angehören, von den Niederlanden bis nach Österreich. Die Kirchen in Europa müssten bei ethischen Fragen wie der Armutsbekämpfung gemeinsam ihre Stimme erheben, fordert er und erinnert daran, dass de Gaulle und Adenauer mit dem Élyséevertrag auch das politische Gewicht eines friedlichen Europas stärken wollten.

Die Kirchen müssten noch mehr leisten in der grenzüberschreitenden Arbeit, mahnt der Elsässer Schriftsteller, Journalist und protestantische Theologe Martin Graff. Die Spuren der Kriege seien bis heute nicht nur in der Landschaft mit ihren zerschossenen Wäldern und den Friedhöfen, sondern auch in den gebrochenen Identitäten der Grenzbewohner zu sehen.

Er zieht eine kritische Bilanz der deutsch-französischen Versöhnungsgeschichte. "In dem Augenblick, in dem wir politisch Freunde sind, trennen wir uns kulturell", glaubt er. "Die Sprache", sagt Graff, der das Sprachspiel mit Deutsch und Französisch liebt, "ist und bleibt der Schlüssel zur Kultur" - und damit auch zum Verständnis des anderen.