"Gegenwärtig deutet leider manches auf eine Verschlechterung des ökumenischen Klimas hin", bilanziert der frühere Ökumeneminister des Vatikans, Kardinal Walter Kasper, im September dieses Jahres in der Wochenzeitung "Die Zeit". Zwar sei in den letzten 50 Jahren viel erreicht worden. "Es liegt aber noch eine schwierige Wegstrecke vor uns, die wohl länger sein wird, als viele hofften."
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Doch nicht alle wollen so lange warten - mit ihrem Aufruf "Ökumene jetzt" sorgten im September rund zwei Dutzend prominente Deutsche für Aufsehen. 500 Jahre Kirchentrennung sind genug, heißt es in dem Appell. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte es ein Dokument der Ungeduld. Im Land der Reformation sollten Christen den "gemeinsamen Glauben auch in einer gemeinsamen Kirche" leben.
Zu den Unterzeichnern zählten neben Thierse und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) auch TV-Moderator Günther Jauch, der Schriftsteller Arnold Stadler und Altbundespräsident Richard von Weizsäcker. Der Text wurde grundsätzlich als Impuls zur Belebung der festgefahrenen Ökumene gewürdigt. Doch Fachleuten war das zweiseitige Dokument - das von mehr als 6.000 Personen unterstützt wird - zu wenig konkret.
"Amtsökumene dreht sich im Kreis"
"Klartext ist: Die katholisch-evangelische Amtsökumene steckt in der schwierigsten Phase seit Beginn der ökumenischen Bewegung", findet Gottfried W. Locher, Präsident des Rates des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes und Mitglied der Leitungsspitze der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Die Amtsökumene drehe sich "offensichtlich immer mehr im Kreis". Allenthalben werde gefragt "Wie lange noch? Wann schaffen 'die da oben' endlich die Versöhnung?"
Das ökumenische Problem betreffe alle Kirchen: "Jesu Botschaft hat ein Problem mit ihrer Botschafterin. Die Glaubwürdigkeit des Evangeliums leidet an der mangelnden Glaubwürdigkeit seiner Verkündigerin", beklagt Locher in einem Grundsatzreferat im November. Zudem gebe es in der Ökumene kein gemeinsames Ziel. "Wohin die ganze mühsame, aufwendige und teure Amtsökumene führen soll, sogar da sind wir geteilter Meinung". Dies ist Locher zufolge das "eigentliche Drama".
Reizthema Abendmahl
Auch in der Diskussion um das gemeinsame Abendmahl sind wohl alle Argumente ausgetauscht. "Vielleicht brauchen wir auch ab und zu in den Gesprächen eine Pause, um danach vernünftig weiterzukommen", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, auf dem 98. Deutsche Katholikentag im Mai in Mannheim. Ohnehin, so der katholische Theologieprofessor Otto Hermann Pesch, gibt es vor Ort eine Gastfreundschaft bei Abendmahl und Eucharistie, die "faktisch kein Bischof mehr kontrollieren kann, weil die betroffenen Gemeindeglieder die angeblich ungelösten theologischen Probleme beim besten Willen nicht mehr einsehen".
An einer Stelle jedoch gibt es Bewegung: Die deutschen katholischen Bischöfe wollen im Frühjahr 2013 über die Teilnahme der wiederverheirateten Geschiedenen am kirchlichen Leben beraten. Die Zulassung evangelisch-katholisch gemischter Paare zur Eucharistie gilt als eine der dringendsten ökumenischen Fragen. Evangelische Ehepartner dürfen in der katholischen Messe nach offizieller Lehre nicht die Eucharistie empfangen, die evangelische Kirche dagegen verweigert keinem getauften Christen Brot und Wein am Altar.
Katholisch-evangelikale Allianzen
Weiteres Konfliktpotenzial in der Ökumene gibt es in der unterschiedlichen Bewertung ethischer Fragen. Immer häufiger bilden sich querbeet durch die Konfessionen konservative Allianzen aus Christen, die gemeinsam gegen eine aus ihrer Sicht zu liberale Haltung der Kirchen bei Themen wie Lebensschutz, Frauenordination oder Homosexualität kämpfen. So fühlen sich gerade bei Lebensschutzthemen evangelikale Protestanten der römisch-katholischen Kirche näher als den Landeskirchen.
Kardinal Kasper mahnte, trotz der derzeitigen Krise die historische Bedeutung der ökumenischen Bewegung nicht zu vergessen. Die Ökumene sei "die größte Friedensbewegung des letzten Jahrhunderts" gewesen, eine Art Gegenbewegung zu vielen blutigen Konflikten weltweit. Für die Zukunft wirbt Kasper für eine "geistliche Ökumene", in der sich Katholiken, Orthodoxe und Protestanten zum Lesen der Bibel, zum Gebet wie zur theologischen Weiterbildung treffen und dabei entdecken "wie nahe sie einander sind".