Ein abendfüllender Film über einen Friedhof? Angesichts der exakt strukturierten, fein säuberlich parzellierten Gottesäcker kann man sich wirklich spannendere Sujets vorstellen. Und doch ist Britta Wauer mit "Im Himmel, unter der Erde" ein Werk gelungen, das Staunen macht. Gerade die Bilder von Kameramann Kaspar Köpke verleihen diesem Dokumentarfilm eine optische Vielfalt, die man kaum für möglich gehalten hätte. Allerdings hat das Team auch nicht irgendeine Stätte besucht: Der jüdische Friedhof in Berlin-Weissensee ist eine Attraktion. Im ostdeutschen Teil der Stadt gelegen, geriet er nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. Auf diese Weise konnte sich mitten in der Weltstadt fast ungestört eine grüne Oase entwickeln. Da jüdische Ruhestätten für die Ewigkeit angelegt und die Gräber durchnummeriert sind, lässt sich die Entwicklung des Friedhofs wunderbar nachvollziehen. Das erste Grab wurde vor rund 130 Jahren ausgehoben. Mittlerweile sind hier über 115.000 Menschen bestattet worden.
Eine Kindheit auf dem Friedhof
Diese Informationen vermittelt Wauer aber eher beiläufig. Ihr Film kommt ohne jeden Kommentar aus. Trotzdem lebt er dank der Menschen, die ihre ganz persönliche Beziehung zu dem Friedhof beschreiben, nicht allein vom Bild. Eine der Hauptfiguren ist ein Berliner, der hier während der Nazi-Zeit als Sohn eines jüdischen Friedhofsangestellten quasi seine Kindheit verbracht hat; es war zu gefährlich für ihn, auf der Straße zu spielen. Auch in den Gesprächen der anderen Zeitzeugen spielt die NS-Diktatur naturgemäß eine zentrale Rolle, zumal Wauer die entsprechenden Erinnerungen um zeitgenössische Aufnahmen ergänzt. Da sich aber dennoch keineswegs alles um den Holocaust dreht, erzählt Wauer auch die Geschichte des deutschen Judentums.
Trotz der fesselnden Erzählungen: Es ist die Bildgestaltung, die "Im Himmel, unter der Erde" sehenswert macht. Köpke filmt den Friedhof als verwunschene Welt, in die stellenweise nicht mal ein Sonnenstrahl dringt. Wunderbar sind auch die Sequenzen, in denen in rascher Abfolge die Jahreszeiten wechseln.
Und dann sind da natürlich noch die Grabstätten: Gerade die Mausoleen, im Verlauf der Jahrzehnte verwittert, weil es niemanden mehr gibt, der sich um den Erhalt kümmern könnte, machen diesen vergessenen Ort zu einer faszinierenden Nekropole.