Frau Holzinger, was ist ein Klartraum?
Brigitte Holzinger: Nach meiner Definition ist dies ein Traum, in dem man weiß, dass man träumt. Ein Klartraum ist zugleich ein Traum, in dem man handlungsfähig ist, also das Traumgeschehen durch eigenen Willen gestalten und positiv verändern kann. Aus einem Alptraum dagegen wacht man ja vor Aufregung, Angst, Ärger oder aus anderen unangenehmen Gründen auf. Der Klartraum verbindet tiefste Entspannung und höchste Konzentration.
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Kann man Alpträume durch Klarträume besser bewältigen?
Holzinger: An unserem neuen Forschungsprojekt nahmen Menschen teil, die zwei bis drei Mal pro Woche unter Alpträumen gelitten haben. Das Spektakuläre der bislang unveröffentlichten Studie ist, dass schwerwiegende Schlafstörungen nach der Therapie, einem Klartraumtraining, deutlich vermindert werden konnten. Auch die Häufigkeit der Alpträume war gesunken. Wir haben unter wissenschaftlichen Bedingungen mit zwei Vergleichsgruppen zeigen können, dass man mit dem Klartraum die Alpträume nachhaltig in gestaltete Träume umwandeln kann. Auch Angst und Depressionen konnten verringert werden.
"Es gibt Leute, die können den Klartraum auch mit viel Mühe nicht lernen"
Wie kann man Klarträumen erlernen?
Holzinger: Es gibt mehrere verschiedene Techniken, eine sehr effektive Technik ist die der Hypnose.
Wie genau nimmt man einem Alptraum seinen Schrecken?
Albträume müssen kein Schicksal sein: Die Wiener Psychologin Brigitte Holzinger lehrt neue Methoden zur Überwindung der quälenden Schlafstörungen. Foto: epd-bild/privat
Holzinger: Wenn man im Traum den Traum erkennt, nimmt man dem Alptraum meist schon einen Teil seines Schreckens. Nach Belieben kann dann der Klarträumer den Alptraum in weiteren Schritten verändern und so im Lauf der Zeit bewältigen.
Wie lange dauert so ein Training, bevor man im eigenen Traum aufwacht?
Holzinger: Das kann man nicht sagen. Ich habe in meiner Praxis schon Leute gehabt, die bereits nach einer Sitzung explizite Klarträume hatten, ihre Alpträume toll ändern konnten und darin voll handlungsfähig waren. Es hat aber auch Leute gegeben, die den Klartraum auch mit viel Mühe nicht lernen konnten.
Seit wann kennt man das Phänomen des Klartraums?
Holzinger: Klarträumen gibt es vermutlich schon, seit es Menschen gibt. Man hat es aber lange nicht einordnen können. In den 1980er Jahren hat der US-Amerikaner Stephen LaBerge, einer der Pioniere der Klartraum-Forschung, das Thema mit seinen empirischen Studien bekanntgemacht. Der deutsche Psychologe Paul Tholey (1937-1998) lehrte bereits in den 1970er Jahren in Frankfurt am Main das Klarträumen.
"Es ist ein Problem Glaubensmodelle mit Klarträumen zu verbinden"
Wie lässt es sich erklären, das jemand in seinem eigenen Traum "aufwacht"?
Holzinger: Die ganzen Strukturen kennen wir noch nicht genau; ich glaube, dass das Klarträumen in Wirklichkeit ein Netzwerk von Funktionen ist, die dann einen anderen mentalen Zustand herstellen. Daher muss auch beides in einem Klartraum eintreten: zu wissen, dass man träumt und dass man auch weiß, dass man Handlungsfreiheit im Traum hat.
Ist der Klartraum ein mystisches Phänomen?
Holzinger: Na ja, das möchte ich nicht ausschließen. Aber aus meiner Sicht ist der Klartraum vor allem das tollste veränderte Bewusstsein, das man überhaupt haben kann. Für mich fällt das in den Bereich der Chaoszustände, in den Bereich der Paradoxien.
Das Phänomen Klartraum ist im esoterischen Bereich ein häufiges Thema. Wie bewerten Sie das?
Holzinger: Ich halte es für ein Problem, dass in der Esoterik Glaubensmodelle mit dem Klarträumen verbunden werden.
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Sie haben also keine religiöse oder weltanschauliche Deutung des Klarträumens?
Holzinger: Genau. Für mich ist das einfach pures Erleben. Das ist eine Fähigkeit, die fast jeder hat. Wir haben das bislang vielleicht nicht so beachtet, weil man den Sinn darin nicht erkannt hat. Das ist eine Fähigkeit, sich höchstgradig konzentrieren zu können, wie etwa im Hochleistungssport. In diese Form von veränderten Bewussteinszuständen würde ich auch das Klarträumen einordnen.
Wem würden Sie vom Erlernen der Klartraum-Techniken abraten?
Holzinger: Für diese Frage bin ich Ihnen sehr dankbar. Ich möchte hier ausdrücklich warnen. Ich glaube, dass das Klarträumen ein unglaubliches therapeutisches Potenzial hat. Aber diese Technik muss angeleitet werden. Es besteht sonst die Gefahr eines Realitätsverlustes bei Personen, die nicht so sehr an die Realität angebunden sind, die Persönlichkeitsstörungen oder destruktive Anteile haben. Diese könnten sozusagen mental wegrutschen.
"Der Traum soll dabei helfen, mit dem Leben besser fertig zu werden"
Auf jeden Fall muss man hier vorsichtig sein. Man muss schauen, in welchen Bereichen es geboten ist und in welchen nicht. Wichtig ist, dass man dies unter Anleitung von jemandem macht, der darin psychologisch geschult ist, um Störungen rechtzeitig gegensteuern zu können. Grundsätzlich ist es aber sehr sinnvoll, wenn sich jemand mit seinen Träumen befasst. Aber ich habe auch schon Leute getroffen, die sich darin verloren haben, in dieser Welt des Traums.
Was kann eine seriöse Klartraum-Therapie leisten?
Holzinger: Wenn es gut gemacht wird, sollte eine klarträumende Person mit der Realität besser fertig werden. Der Traum und der Klartraum sollen ja dabei helfen, dass wir mit dem Leben besser fertig werden.
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