Genf verliert Bedeutung als Zentrum der Ökumene

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Ökumenisches Zentrum in Genf, der Sitz des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), des Lutherischen Weltbundes (LWB), des Reformierten Weltbundes und der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK, Archivfoto).
Genf verliert Bedeutung als Zentrum der Ökumene
Zwei von vier großen Kirchenbünden wollen in den nächsten Jahren Genf verlassen. Kritiker befürchten einen Bedeutungsverlust für die ökumenische Bewegung.
28.11.2012
epd
Jan Dirk Herbermann

Die Stimmung im Ökumenischen Zentrum in Genf ist betrübt. Nachdem die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WRK) ihren Umzug nach Hannover für Anfang 2014 bekanntgegeben hat, zeichnet sich jetzt ebenfalls ein Abschied der Konferenz Europäischer Kirchen in Richtung Brüssel ab. Der Standort Genf als Zentrum der ökumenischen Bewegung steht auf dem Spiel. Viele Mitarbeiter fürchten den sinkenden Einfluss der ökumenischen Dachverbände.

Immerhin halten der Weltkirchenrat, der Lutherische Weltbund und andere kirchliche Institutionen wie das humanitäre Hilfsnetzwerk Act Alliance Genf die Treue. Doch hatten auch schon Spekulationen über einen Umzug der Lutheraner nach Wittenberg die Runde gemacht. "Wir diskutieren zurzeit nicht über einen Wegzug", wies LWB-Sprecherin Heidi Martinussen diese Gerüchte zurück.

Kostensenkung und Strukturschaffung

Bei der Konferenz Europäischer Kirchen sind die Planungen für einen Weggang konkreter. Die Mehrzahl der rund 120 Mitgliedskirchen stehe einer Konzentration der Aktivitäten in Brüssel aufgeschlossen gegenüber, sagt Generalsekretär Guy Liagre. Ziel sei es, durch den Umzug Kosten zu senken und die Strukturen zu straffen. Die Vollversammlung könnte im Juli 2013 in Budapest einen entsprechenden Beschluss fassen. In drei bis vier Jahren wäre der Umzug dann abgeschlossen.

Die Bündelung der Aktivitäten in Brüssel wird von einer Expertengruppe empfohlen. In Brüssel, dem Sitz der EU, ist die Konferenz Europäischer Kirchen bereits mit einem Büro vertreten. Auch in Straßburg, wo sich der Europarat und EU-Parlament befinden, unterhält die Organisation eine Vertretung. Das Sekretariat hat seinen Sitz bisher in Genf. Rund 30 Mitarbeiter arbeiten für den Zusammenschluss an den drei Standorten.

 "Auf Dauer hätten wir diese Kursverluste nicht verkraften können"

Alle ökumenischen Organisationen in Genf leiden unter finanziellen Problemen, ausgelöst durch Kursverluste aufgrund des starken Schweizer Franken. Zudem gilt Genf als eine der teuersten Städte der Welt. Wegen der finanziellen Schwierigkeiten hat der Weltkirchenrat, dem der Komplex gehört, eine Baufirma mit der Entwicklung des 34.000 Quadratmeter großen Areals beauftragt. So soll der Vermögenswert optimiert werden, ein späterer Teilverkauf ist angedacht.

Unterdessen wollen die Reformierten mit einem Wegzug die ausufernden Kosten in den Griff bekommen. Jerry Pillay, Präsident der Reformierten, sagte: Durch hohe Wechselkursverluste zum starken Schweizer Franken sei seit Jahren ein großer Teil der Einnahmen verloren gegangen. "Auf Dauer hätte die Weltgemeinschaft diese Kursverluste nicht verkraften können." Die Gemeinschaft von nahezu 230 Kirchen in 108 Ländern vertritt mehr als 80 Millionen reformierte Christen, ihr Stab umfasst sieben Mitarbeiter.

" Die WRK läuft Gefahr, sich selbst zu isolieren"

Die Pläne der Reformierten und der Konferenz Europäischer Kirchen finden zwar bei ihren Mitgliedskirchen Beifall. Es fallen jedoch auch kritische Töne. "Ich bin enttäuscht", sagte der Generalsekretär des Weltkirchenrates, Olav Fykse Tveit. Der norwegische Lutheraner betont: Genf - die Stadt des Reformators Johannes Calvin und der Vereinten Nationen - biete für die Kirchenbünde ein sehr gutes Umfeld. Auch die Neutralität und Weltoffenheit der Schweiz seien große Pluspunkte.

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Beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund, der rund 2,4 Millionen Protestanten in der Schweiz repräsentiert, lösen die Entwicklungen in Genf ebenfalls Unbehagen aus. Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, prognostizierte der Schweizer Kirchenbund, laufe Gefahr, sich an seinem neuen Standort Hannover "selbst zu isolieren". Das Genfer Ökumenische Zentrum sei der "weltweit wichtigste Ort des ökumenischen Austauschs".

Und Generalsekretär Liagre von der Konferenz Europäischer Kirchen gab zu bedenken, dass in Brüssel ansässige Organisationen vor allem als Lobbygruppen wahrgenommen werden. "Will die Kirche dieses Image?" fragte der Belgier. Zudem gibt er zu bedenken, dass nicht alle Mitglieder der Konferenz Europäischer Kirchen aus EU-Staaten stammen.

Deutlicher werden Mitarbeiter der Organisationen, wenn sie hinter vorgehaltener Hand sprechen: "Die Reformierten und die Konferenz Europäischer Kirchen werden sich an ihren neuen Standorten bestimmt nach Genf zurücksehnen", prognostizierte eine Mitarbeiterin.