Der Mann mit dem Mond im Hinterkopf - Peter Hintze

Der Mann mit dem Mond im Hinterkopf - Peter Hintze
Früher war Peter Hintze CDU-Generalsekretär und der Mann hinter Helmut Kohl. Heute ist er Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt. Ein Gespräch mit dem 62-Jährigen.

"Ich bin sicher, dass die Marsmission Curiosity beweist, dass Investitionen in die Raumfahrt Investitionen in die Zukunft sind", lässt Staatssekretär Peter Hintze im Pressedienst des Bundeswirtschaftsministeriums verbreiten. Die Begeisterung für die Raumfahrt ist dem 62-Jährigen zwar nicht angeboren, dafür aber als "Koordinator für Luft- und Raumfahrt" der Bundesregierung buchstäblich in Fleisch und Blut übergegangen.

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Dabei ist Hintze keineswegs Natur- oder Ingenieurwissenschaftler, sondern evangelischer Pfarrer. Von 1980 bis 1983 war er ein außerordentlich beliebter Gemeindepfarrer, auch heute noch steigt er ab und an auf die Kanzel. Es folgten einige erfolgreiche jahre als Zivildienstbeauftragter, seit 1990 sitzt der Rheinländer für die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, 1992 bis 1998 war er Generalsekretär der CDU.

Als wir uns um sieben Uhr morgens im Café Einstein am Berliner Boulevard "Unter den Linden" zum einfachen Frühstück mit Tee, zwei Brötchen, etwas Butter und Marmelade treffen, ist er gleich bei dem "Kolumbus in uns", also beim Entdecker auf der Suche nach neuen Erkenntnissen und Erfahrungen. Bereits als Jugendlicher hat sich der Juristensohn Hintze neben der Theologie für Naturwissenschaften interessiert. So sehr ihn nach dem Studium der evangelischen Theologie in Wuppertal und Bonn die kirchliche Gemeindearbeit fasziniert hat, so war er doch immer auch schon Politiker.

Heute zählt Hintze zu den engsten Beratern von Angela Merkel. Ab und zu schaut er diskret auf die Uhr. Um viertel nach acht muss er bei der Kanzlerin sein. Also, was ist mit dem Mond? "Das ist sehr spannend" Warum? Da ist zum einen die Frage, ob es auf dem Südpol des Mondes Wasser gibt. Zum anderen bietet er sich als "hervorragende Plattform" für Exkursionen ins All an, weil nicht nur das Problem des Magnetfeldes schon einmal gelöst sei. Insgesamt gilt für Hintze, "den Mond im Blick zu behalten."

Ein enger Merkel-Berater

Ursprünglich träumte er von deutschen Wissenschaftlern, die den Mond betreten und erforschen sollten. Heute sagt er: "Der Mond muss warten." Nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. Im laufenden Jahr stehen dem Bundesministerium für Luft- und Raumfahrt etwas über 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Dazu kommen dann noch finanzielle Mittel aus dem Etat des Bildungsministeriums. Das meiste Geld ist fest verplant, etwa für das europäische Raumfahrtprogramm ESA und andere Forschungen, deren Etats oft auf Jahre festgelegt werden müssen.

Also wird vorerst nichts vom deutschen Mann auf dem Mond? Hintze hat immer den Mond "im Hinterkopf". Ihn im Blick zu behalten, ist für ihn einfach "spannend". Anders ausgedrückt, so Hintze, "fasziniert die Raumfahrt jeden, der sich damit beschäftigt." Längst ist Hintze zu einem Experten für den Weltraum geworden. Und die Beschäftigung mit diesem Thema ist für ihn mehr als interessant, nicht zuletzt auch für die Forschungsnation Deutschland. Längst ist sie mit vielen Geräten und Laboratorien im Weltraum vertreten, genießt auf diesem Gebiet Weltruf. Anders ausgedrückt: "Deutschland ist mehr im Weltraum vertreten als die meisten Menschen im Lande ahnen."

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Längst kennt Hintze die meisten Forschungsinstitute, die sich mit dem Weltraum beschäftigen – ob Cern in der Schweiz, die deutschen Institute in Köln, Oberpfaffenhofen oder Bremen, die europäischen Forschungseinrichtungen. Und im Blick auf das Weltall überkommen selbst Peter Hintze "sehr starke Ehrfurchtsgefühle."

Als der Russe Juri Gargarin, erster Mensch im Weltall, später sagte, er habe Gott weder gesehen noch getroffen, antwortete ihm ein US-amerikanischer Astronaut, dass er so klein sei, dass Gott ihn nicht gesehen habe. Ob es Leben außerhalb der Erde gibt? Diese Frage muss doch den Theologen Hintze interessieren. Tut sie auch. Doch er ist überzeugt, dass es solches nicht gibt: "Wir werden den Marsmenschen nicht antreffen."

Die deutsche Raumfahrtforschung schaut gespannt auf das amerikanische Experiment mit dem Marsrover, für den auch die deutschen Wissenschaftler manches beigesteuert haben. Nicht zuletzt haben, so Hintze, deutsche Forscher einen wichtigen Beitrag für den Landeplatz des amerikanischen Marsrovers "Curiosity" geliefert . Und deutsche Forscher sind beteiligt an der Entwicklung von Schutzanzügen und -räumen für den Menschen auf dem Mars, um der dortigen Strahlung trotzen zu können.

Theologie und Technik sind Geschwister

Die von deutschen Wissenschaftlern entwickelte Erdbeobachtung aus dem Weltall hat Weltniveau und kommt der ganzen Menschheit zu Gute. Die Klimaforschung hat ganz neue Möglichkeiten aufgetan. Die europäische Satellitennavigation genießt Weltruf und ist ohne den deutschen Beitrag nicht denkbar. Klimabeobachtung, genauere Wettervorhersagen oder das Aufspüren von Waldbränden aus dem All hat eine immense wirtschaftliche Bedeutung und hilft zugleich den menschlichen Lebensraum zu sichern.

Für den evangelischen Pfarrer Hintze sind selbstverständlich die von der Weltraumforschung aufgeworfenen Fragen auch von höchster Bedeutung. Wer sich den unendlichen Weiten des Alls ausgesetzt weiß, der beschäftigt sich nach Hintze auch ganz automatisch mit den "Grundfragen des Lebens". Die Erforschung des Weltalls hat aus der Sicht Hintzes eine große Bedeutung für das Leben auf der Erde und das "Wunder der Schöpfung" wird vor diesem Hintergrund erst wirklich erfahrbar. Und der Mensch ist so angelegt, dass er wissen will, wie das Universum entstanden ist, woher er kommt.

Zwischen Sky und Heaven

Für Hintze waren Theologie und Forschung sowie Technik "schon immer Geschwister". Bevor der den letzten Schluck Tee im morgendlichen Café Einstein nimmt und sein Fahrer schon ungeduldig vor dem Cafe Einstein hupt, weil es Zeit für die Kanzlerin ist, macht er noch schnell einen Vorschlag für die Überschrift über das Gespräch: "Zwischen Sky and Heaven". Denn im Englischen gibt es zwei Begriffe für den Himmel: einen astronomischen (sky) und einen spirituell-theologischen (heaven).

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Dieser Unterschied im Englischen zwischen Himmel und Himmel gefällt ihm, zumal er sich im September zwischen einem Empfang bei Papst Benedikt XVI. für die Christlichen Demokraten International, deren Vizepräsident er ist, und der zeitgleichen Teilnahme an einer Luftfahrtkonferenz in der Schweiz entscheiden muss. Wie soll er sich entscheiden? Hintze: "Ich bin noch unschlüssig." Für einen evangelischen Politiker können also völlig unverhofft Probleme mit Sky und Heaven entstehen. Bevor ich ihm einen Rat geben kann, ist er schon entschwunden. Die Kanzlerin will er nicht warten lassen.