Es gibt zwei interessante Aussagen zu diesem Film. Christian Pfannenschmidt räumt ein, dass seine Geschichte einer Freundschaft mit Hindernissen zwischen einer Starköchin und einem Mädchen aus prekären Verhältnissen eher untypisch für ihn sei, weil er sich als Autor "im Wortsinne der Unterhaltung ‚verschrieben’ habe". Da ist was dran: Pfannenschmidts bis heute mit Abstand größter Erfolg war die ZDF-Serie "girl friends". Regisseur Tim Trageser wiederum versichert, alle Beteiligten seien sich einig gewesen, keinen Themenfilm drehen zu wollen. Deshalb dauert es 45 kurzweilige Minuten, bis die Handlung zur Sache kommt: Was zunächst wirkt wie das Porträt einer zwar erfolgreichen, insgeheim aber wenig glücklichen Frau, die niemanden an sich ran lässt, wandelt sich zu einem Plädoyer für Engagement ohne Eigennutz, inklusive der Aufforderung, nicht wegzuschauen, wenn andere in Not sind.
Konfrontation mit dem wahren Leben
Es erweist sich als ausgesprochen geschickt, diesen Appell in den Rahmen einer charakterlichen Entwicklung zu betten: Ida Schmidt (Anna Loos), Küchenchefin im Restaurant eines Berliner Luxushotels, ist überzeugt, dass Menschen, die irgendwie aus der Gesellschaft gefallen sind, bloß zu faul zum Arbeiten sind. Diese Überzeugung kann auch der ebenso schmucke wie charmante Tercan (Erhan Emre) nicht erschüttern; seine Versicherung, jeder könne mal vom Karussell fliegen, prallt von Ida ab. Tercan holt jeden Tag für das Sozialprojekt "Barke" die nicht verwerteten Lebensmittel ab. Als Ida ihm mal hinterherfahren muss, stellt sie fest, dass die Barke vor allem Kindern hilft. Ein Mädchen fällt ihr besonders auf: Die kesse Kratzbürste Mandy (Hanna Müller) lässt sich genau wie Ida nichts gefallen. Die Köchin öffnet ihren Panzer ein bisschen, bietet den Kindern einen Kochkurs an, überrascht das Mädchen zum zwölften Geburtstag mit einem Kuchen und wird unversehens mit dem wahren Leben konfrontiert: Mandys Vater (Alexander Hörbe) ist ein Trinker, der zu Gewalttaten neigt, ihre Mutter (Christina Große) hat sich in Apathie vergraben, die Wohnung sieht aus wie eine Müllhalde; Mandy zieht ihre beiden kleinen Geschwister mehr oder weniger alleine gros. Ida beschließt, sich einzumischen; und das hat Folgen.
Anna Loos, unter Tragesers Regie schon als Titelfigur in dem Drama "Die Lehrerin" äußerst überzeugend, versieht die Köchin mit einer sehr interessanten Mischung aus Sympathie und schroffem Verhalten. Jede Form von Empathie scheint ihr fremd, und auch Tercan stößt sie nach einer gemeinsamen Nacht brüsk wieder von sich. Eher beiläufig wird eingestreut, dass sie eine ganz ähnliche Herkunft wie Mandy hat. Perfekte Ergänzung für die erfahrene Anna Loos ist die völlig unerfahrene Hanna Müller in ihrer ersten Rolle: Das Mädchen ist fabelhaft, hat keinerlei Probleme mit seinen Dialogen und agiert auch in den emotionalen Momenten mit eindrucksvoller Souveränität; ein Naturtalent, das in der Lage ist, seine Blicke Bände sprechen zu lassen.
Auch wenn sich die Geschichte im letzten Drittel zum Sozialdrama wandelt: Ein Themenfilm ist "Mandy will ans Meer" trotzdem nicht geworden. Pfannenschmidt verschweigt zwar nicht, dass jedes Engagement seine Schattenseiten haben kann, muss den Schluss aber auch nicht konstruieren, um alles zu einem guten Ende zu führen.