Kirchen und Gewerkschaften sollen zusammenarbeiten

Foto: epd-bild/Norbert Neetz
Durch das Urteil des Bundesarbeitsgericht steht die Zukunft des kirchlichen Arbeitsrechts in Frage.
Kirchen und Gewerkschaften sollen zusammenarbeiten
Die Kirchen dürfen ihr Arbeitsrecht selbst regeln. Allerdings stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Grundsatzentscheidung klar, dass die Gewerkschaften einzubeziehen sind und Streiks nicht ausgeschlossen werden dürfen. Beide Parteien werden ermahnt, künftig enger zusammenzuarbeiten.

Kirchlich Beschäftigten dürfen Streits nicht generell verboten werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in zwei Urteilen am Dienstag entschieden und damit den Gewerkschaften ver.di und Marburger Bund im Grundsatz recht gegeben. Damit müssen die christlichen Kirchen sowie die Einrichtungen von Caritas und Diakonie mit ihren bundesweit rund 1,3 Millionen Beschäftigten Streiks unter bestimmten Voraussetzungen zulassen. (AZ: 1 AZR 179/11 und 1 AZR 611/11)

###mehr-artikel###

"Die Urteile sind ein Aufruf an Kirche, Diakonie und Gewerkschaften zur Zusammenarbeit", sagte BAG-Sprecher Christoph Schmitz-Scholemann. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sieht sich in der Entscheidung des BAG bestätigt. Damit sei das von der Diakonie reklamierte Streikverbot vom Tisch, sagte ver.di-Chef Frank Bsirske.

Das oberste deutsche Arbeitsgericht betonte allerdings, dass die Kirchen ihr im Grundgesetz geschütztes Selbstbestimmungsrecht geltend machen und damit auch ihre Arbeitsbedingungen selbst regeln können. "Die Religionsgemeinschaft entscheidet alleine, wie sie ihre Aufgaben definiert", sagte BAG-Präsidentin Ingrid Schmidt. Allerdings dürften die Gewerkschaften beim Aushandeln der Arbeitsbedingungen nicht von den kirchlichen Arbeitgebern übergangen werden.

Urteil: Regelungen verbindlich festschreiben

Regeln die Kirchen ihr Arbeitsrecht selbst, indem die Arbeitsverhältnisse in paritätisch mit Vertretern der Arbeitgeber und der Beschäftigten besetzten Kommissionen ausgehandelt werden, müssten die Gewerkschaften daran beteiligt werden, heißt es in der Urteilsbegründung. Die dabei über den sogenannten Dritten Weg getroffenen Regelungen müssten zudem verbindlich festgeschrieben werden. Werde dies nicht eingehalten, seien Streikaufrufe und Streiks erlaubt. In den verhandelten Streitfällen hatten die diakonischen Dienstgeber allerdings ein Wahlrecht zwischen unterschiedlichen Kirchentarifen. Dadurch fehlte die Verbindlichkeit der Lohnabschlüsse.

Mehrere evangelische Landeskirchen und diakonische Einrichtungen hatten in den beiden entschiedenen Streitfällen auf ihr im Grundgesetz geschütztes kirchliches Selbstbestimmungsrecht gepocht. Danach seien Streiks bei den christlichen Kirchen generell verboten. Die Gewerkschaften hatten dagegen auf ihre in der Verfassung verankerte Koalitionsfreiheit und das damit verbundene Streikrecht verwiesen.

Grundsätzliche Bedeutung

In den Verfahren hatten bereits die Vorinstanzen, das Landesarbeitsgericht Hamm (AZ: 8 Sa 788/10) und das Landesarbeitsgericht Hamburg (AZ: 2 Sa 83/10), ein generelles Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen abgelehnt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreites für den Status der Kirchen in Deutschland ist nicht ausgeschlossen, dass nach dem BAG demnächst das Bundesverfassungsgericht über das kirchliche Arbeitsrecht entscheiden wird. Auch eine Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg erscheint möglich.