Den Einen befiehlt ihr Gewissen, den Sterbe-Prozess nicht nur zu erleichtern, sondern gegebenfalls auch zu beschleunigen. Für Andere käme das nie in Frage, weil sie das Leiden als Teil des Lebens betrachten, zumal das ärztliche Standesrecht Sterbehilfe untersagt.
Plasbergs Redaktion hatte interessante Gäste zu diesem Zwiespalt geladen. Das Pro vertrat der Urologe Uwe-Christian Arnold, seit 15 Jahren Sterbehelfer, von dessen Gewissenhaftigkeit man sich bereits in der zuvor gezeigten Reportage "Sie bringen den Tod" überzeugen konnte. Die Gegenposition vertrat die Dresdener Palliativmedizinerin Barbara Schubert. Unterstützung erfuhr sie in ethischer und theologischer Hinsicht durch den früheren Bremer Bürgermeister Henning Scherf sowie den medienerfahrenen Kapuzinermönch Paulus Terwitte.
"Warum haben Sie Ihrer Frau nicht die Pulsadern aufgeschnitten?"
Der sorgte allerdings mit einer brüsken Reaktion für eine Verhärtung der ohnehin kaum kompromissbereiten Positionen: Quasi als Kronzeuge für die Sterbehilfe beschrieb der Schweizer Unternehmensberater Walter Bollinger, wie seine an Alzheimer erkrankte Frau vor zwei Jahren mit Hilfe der Organisation Exit freiwillig aus dem Leben geschieden ist.
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Terwitte empfand die empathische und bewegende Schilderung des Mannes als Aufruf, dem Beispiel seiner Frau zu folgen; ihm sei "eiskalt" geworden, versicherte er. Später provozierte er den Schweizer mit der Frage, warum er seiner Frau nicht die Pulsadern aufgeschnitten habe.
Während der Theologe die Position vertrat, nur Gott dürfe entscheiden, wann ein Leben ende, räumte Scherf einen "entsetzlichen Konflikt" ein, in dem sich die Angehörigen Sterbender befänden: Oftmals handele es sich um "Grenzsituationen", in denen er sich nicht zutraue, einen Rat zu geben. Grundsätzlich halte er Suizid jedoch für "eine Krankheit, die man heilen kann." Keinesfalls aber dürfe die Klärung der Frage, ob Sterbehilfe erlaubt sein soll oder nicht, den Juristen überlassen werden.
"Wenn Menschen Gemeinschaft erleben, wollen sie nicht mehr sterben"
Terwitte, auch ehemaliger Krankenhausseelsorger, gab sich dagegen überzeugt, dass Lebensmüde neuen Mut fassten, sobald man ihnen helfe, ihr "Netzwerk" zu aktivieren: "Wenn Menschen Gemeinschaft erleben, wollen sie nicht mehr sterben." Palliativmedizinerin Schubert, leitende Oberärztin am St. Joseph-Stift Dresden, bestätigte diese Erfahrung. Sie versuche, verzweifelten Menschen zu helfen, "wieder Ja zur Seele" zu sagen. Sie respektiere zwar, wenn ein Patient sage: "Bis hierher und nicht weiter", würde allerdings selbst niemals aktiv beim Sterben helfen.
Gegen Ende dieser angemessen respektvoll geführten Diskussion forderten Bollinger wie auch Sterbehelfer Arnold, die Gesellschaft müsse sich offener mit dem Tabuthema Sterben auseinander setzen. Die Mehrheit der Deutschen würde übrigens dem Beispiel Bolingers folgen: Bei einer Umfrage im Auftrag von "Hart aber fair" gaben über 50 Prozent der Befragten an, sie wären unter bestimmten Bedingungen dazu bereit, einem Angehörigen Sterbehilfe leisten. Die überwältigende Mehrheit war der Meinung, es solle Ärzten erlaubt sein, Menschen beim Suizid zu unterstützen.