Beim Stichwort Zivilcourage denkt man in diesen Tagen vor allem an Menschen, die mutig eingreifen, wenn andere überfallen und verprügelt werden. In dem Film "Mit geradem Rücken" geht es im Grunde um nichts anderes, aber unter Voraussetzungen, die man kaum vergleichen kann: Autorin Sophia Krapoth beschreibt, wie schwierig es ist, sich gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu wehren.
Ohne Beweise steht Aussage gegen Aussage
Ihre Heldin ist eine mutige Frau, die gegen den Misstand vorgehen will: Ann-Kathrin Kramer spielt sehr glaubwürdig eine Hotelangestellte, die die Arbeit der Zimmermädchen überwacht. Eines Tages kommt sie dazu, wie Hoteldirektor Braunstein (Kai Wiesinger) einer ihrer Kolleginnen zu nahe tritt. Die junge Shirin (Pegah Ferydoni) ist völlig durch den Wind, offenbar war es nicht der erste Vorfall dieser Art. Hella wendet sich erst an den Personalchef und geht dann mit Shirin zur Polizei. Recht bald zeigt sich jedoch, in welch’ misslicher Lage die Frauen sind: Ohne Beweise steht Aussage gegen Aussage. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei dem Grand Hotel um eine der besten Adressen der Stadt handelt und Direktor Braunstein einen ausgezeichneten Ruf genießt. Seine Maske lässt er nur fallen, wenn keine Zeugen zugegen sind.
Regisseur Florian Froschmayer kann es sich leisten, bei der Inszenierung völlig auf die üblichen Spannungsverstärker zu verzichten; die Geschichte ist stark genug. Allerdings bedient sich die Regie eines Stilmittels, das dem Film eine ganz eigene Handschrift verleiht: Viele Szenen sind mit einer Handkamera gedreht worden. Immer wieder hat sich Kameramann Patrick David Kaethner an die Fersen der Heldin geheftet. Dank diverser ungeschnittener Streifzüge ermöglicht er faszinierende Blicke hinter die Kulissen dieser ganz speziellen Welt. Der Bildgestaltung ist ohnehin anzumerken, dass Froschmayer kein Fernsehen von der Stange vorschwebte. Das beginnt schon mit dem an Robert Altmans Film "Short Cuts" erinnernden Einstieg, als die Kamera in einer langen Einstellung von einer Person zur anderen wechselt und auf diese Weise Schauplatz und Figuren einführt. Schlüssig ist auch der Nebenstrang mit dem Privatleben der Heldin, selbst wenn die Szenen mit dem halbwüchsigen Sohn und der etwas anstrengenden Schwester zunächst vom Kern der Handlung wegführen. Aber sie dienen nicht nur der Komplexität der Figur, sondern zeigen auch, dass man Ereignisse am Arbeitsplatz eben nicht mit der Berufskleidung ablegen kann.
Ähnlich überzeugend wie die Hauptfigur sind die Kolleginnen besetzt. Eine markante Rolle spielt dabei Floriane Daniel als Hellas unsympathische Konkurrentin, die schließlich für ein überraschendes Finale sorgt. Der Ausgang der Geschichte ist zwar zu schön, um wahr zu sein, und somit ein typischer Fernsehschluss, sorgt aber dafür, dass der Film Mut macht.