TV-Tipp des Tages: "Mammuth" (3sat)

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TV-Tipp des Tages: "Mammuth" (3sat)
TV-Tipp des Tages: "Mammuth", 14. November, 20.15 Uhr auf 3sat
Serge ist ein einfacher Arbeiter und kürzlich in den Lebensabend verabschiedet worden; nun weiß er nichts mit seiner Zeit anzufangen.

Man muss schon echter Motorrad-Enthusiast sein, um die Bedeutung des Filmtitels würdigen zu können. Antiheld Serge trägt den Spitznamen "Mammuth", weil seine Maschine so heißt. Aber nur unter Bikern, denn aus Urheberrechtsgründen durfte Motorrad-Guru Friedel Münch seine Konstruktion gar nicht so nennen. Die Zweiräder sind echte Originale; genauso wie Serge. Der ist ein Riese von Gestalt, aber im Herzen ein Kind, und deshalb ist Gérard Depardieu die perfekte Besetzung. Man stelle sich Obelix als Rentner vor, mit einem noch dickeren Bauch und einer Matte wie Mickey Rourke als "The Wrestler": Das ist Depardieu als Mammuth.

Der Mann ist ein einfacher Arbeiter und kürzlich in den Lebensabend verabschiedet worden; nun weiß er nichts mit seiner Zeit anzufangen. Zum Zeitvertreib zählt er die Autos, die an seinem Fenster vorbeifahren. Kein Wunder, dass er Gattin Cathie (Yolande Moreau, die wunderbare Hauptdarstellerin aus "Séraphine") bald auf die Nerven geht. Weil ihm für seine Rente diverse Arbeitsbescheinigungen fehlen, schickt sie ihn auf eine Reise in die Vergangenheit: Er soll seine früheren Arbeitsstellen abklappern. Also holt Serge seine uralte Münch-Mammut (Baujahr ’73) aus der Garage und zockelt los, natürlich vergeblich, schließlich war er immer nur Hilfsarbeiter. Mal haben längst die Chefs gewechselt, mal gibt es die Betriebe gar nicht mehr, und wenn sich doch mal jemand an den Riesen erinnert, nützt das auch nichts: Die meisten haben seine Gutmütigkeit ausgenutzt und ihn schwarz beschäftigt.

Die Reise zu sich selbst

Aber die Reise ist ohnehin bloß ein Vorwand; nicht für die Hauptfigur, aber für das Duo Benoît Delépine und Gustave Kervern (Buch und Regie). So genannte Road-Movies haben stets den Sinn, den Helden sich selbst finden zu lassen. Zu diesem Zweck werden ihm in der Regel allerlei Reisegefährten zur Seite gestellt, die ihm den Weg weisen. Delépine und Kervern lassen sich die Gelegenheit nicht entgehen und konfrontieren den tumben Serge mit Gestalten, die ausnahmslos kräftig aus der Spur geraten sind. Das gilt vor allem für seine Nichte (Miss Ming), eine Schöpferin bizarrer Kunstwerke, der es aber gerade durch ihre Schlichtheit gelingt, ihm die Augen für das Wesentliche zu öffnen. Unterstützt wird sie dabei von einem Geist: Wenn Serge der Mut sinkt, spricht Yasemin ihm Mut zu. Sie war einst seine große Liebe und starb ausgerechnet am Abend ihres ersten Rendezvous’ bei einem gemeinsamen Motorradunfall. Für diese Rolle ist den Regisseuren ein echter Coup gelungen: Isabelle Adjani hat ihre Karriere als Schauspielerin praktisch beendet. Neben dem Hünen wirkt sie naturgemäß noch zerbrechlicher.

Es liegt in der Natur des Genres, dass Straßenfilme episodisch erzählt werden. Delépine und Kervern komponieren den ganzen Film auf diese Weise und leisten sich zudem den Luxus, ihren prominenten Hauptdarsteller oft nur von hinten zu zeigen. In langen Einstellungen schaut die Kamera (Hugues Poulain) über seine Schulter hinweg und beobachtet, was Serge sieht. Vieles ist derart kurios, dass man es kaum in Worte fassen möchte, weil man dem Zauber der entsprechenden Szenen ohnehin nicht gerecht würde. Anderes ist einfach nur beredt, wenn der zornige Serge vor dem Supermarkt so lange am Einkaufswagen zerrt, bis er ihn auch ohne Pfandmünze benutzen kann; oder wenn er nach dem Einkauf keinen Weg durch die parkenden Autos findet und schließlich zwei Wagen demoliert, indem er das Gefährt einfach dazwischen rammt. Diese ungezügelte, ursprüngliche Wut und die Lust an der unbewussten, ziellosen Anarchie erinnern an eine Figur, die Depardieu als junger Mann gespielt hat: Die Rolle des Taugenichts in dem Film "Die Ausgebufften" machte den Franzosen damals zum Star.

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Überflüssig, weil reichlich unappetitlich sind allein die Anfangsszenen aus dem Schlachthof, Serges letzter Arbeitsstelle. Zum Abschied schenken die Kollegen ihm ein Puzzle aus 2.000 Teilen, was Cathie mit den sarkastischen Worten kommentiert: "Besser als ein Flachbildfernseher."