Deutsche in der Schweiz: "Sie mögen uns nicht"

Foto: epd-bild/DiAgentur/Keystone
Auch in der schönen Stadt Bern lassen sich immer mehr Deutsche nieder.
Deutsche in der Schweiz: "Sie mögen uns nicht"
In der alten Stadt ist es voll. Die Menschen drängen sich durch Laubengänge, bewundern jahrhundertealte Gebäude wie den Käfigturm oder schlürfen ein Biermischgetränk mit dem Namen Panaché. Willkommen in Bern, Hauptstadt der schweizerischen Eidgenossenschaft.
26.08.2012
epd
Jan Dirk Herbermann

Es ist ein Ort, der, so scheint es, wegen seiner pittoresken Architektur aus der Zeit gefallen ist. Und es ist ein Ort der vielen Sprachen: Dominant ist das behäbige Berndeutsch, aber auch französische, italienische, englische und japanische Wortfetzen schwirren durch die engen Gassen. Immer öfter erklingt Hochdeutsch. Bern spiegelt einen Trend im gesamten Land wider: Mehr und mehr Bundesbürger lassen sich in der schweiz nieder.

###mehr-artikel###

Betrug die "deutsche Wohnbevölkerung" 2002 noch 125.000 so waren es Ende 2011 schon mehr als 275.000. Die Deutschen schicken sich an, die Italiener (290.000) als stärkste Ausländergruppe in der Schweiz zu überrunden. Vor allem die gut bezahlten Stellen in schweizer Firmen ziehen die Menschen aus der Bundesrepublik an.

Doch der Zustrom löst in Bern, Zürich und Basel Unbehagen aus. Nehmen die hoch qualifizierten Deutschen nicht die guten Jobs und Wohnungen weg? Passt die deutsche Ellbogenmentalität überhaupt zur schweiz? Geschürt wird die Angst von rechten Politikern: Sie wollen den Zuzug aus Hamburg, Berlin oder Nürnberg stark drosseln. Inzwischen klagen viele Deutsche über offene Diskriminierung und Ausgrenzung: Man komme in der neuen Heimat nicht an.

"Die Schweizer sind sehr distanziert, verschlossen und penibel"

"Das Leben hier in der schweiz ist radikal anders als in Deutschland", sagt etwa Renate Schwarzer. Die Berlinerin kam 2003 nach Zürich, seit 2006 lebt sie in Bern. Schwarzer sitzt in einem Restaurant am Berner Hauptbahnhof. Nebenan hocken zwei junge schweizerinnen. "Wir reden besser nicht zu laut", flüstert sie und schaut sich um.

Die schweizer Medien stürzen sich auf die deutsche Altenpflegerin, seitdem eine Zeitung über sie berichtet hatte. Renate Schwarzer, so stand es in "20 Minuten", habe eine "Selbsthilfegruppe für Deutsche" gegründet. "Wir wollen in der Gruppe nur unsere Erfahrungen austauschen", sagt Schwarzer. Beim ersten Treffen kamen 15 Deutsche.

Was ist das größte Problem für Deutsche in der schweiz? Renate Schwarzer lacht. "Wir haben viele Probleme. Die Schweizer sind sehr distanziert, verschlossen und penibel, es dauert sehr, sehr lange, bis man sie richtig kennenlernt."

Ein Club für Deutsche und Schweizer

Viele Eidgenossen, da ist sich Renate Schwarzer sicher, hätten einen Minderwertigkeitskomplex wegen ihrer Sprache. "Sie meinen, sie könnten Hochdeutsch nur schlecht sprechen." Zudem: Die förmliche Höflichkeit der schweizer führe oft zu Missverständnissen. Der Chef verpacke Kritik in so formvollendete Worte, dass man die eigentliche Standpauke gar nicht erkenne. Ihre langjährige Erfahrung als Deutsche unter schweizern fasst sie in knappen Worten zusammen: "Die mögen uns nicht."

###mehr-links###

Die Fahrt von Bern nach Jegenstorf mit der Bahn dauert 20 Minuten. Jegenstorf ist ein kleiner Flecken mit viel Geschichte. Im Schloss des Städtchens residierte zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs General Henri Guisan, Chef der Schweizer Armee. Helvetiens Patrioten verehren Guisan noch heute als ihren Helden.

Rund fünf Minuten vom Schloss entfernt, am Löwenplatz, unterhält der "Swiss German Club" seine Geschäftsstelle. "Wir sind ein Club für Deutsche und Schweizer", sagt Fritz Burkhalter, Gründer und Vorsitzender. Burkhalter ist Schweizer. Er sitzt im schattigen Garten des Clubs und erklärt sein Konzept: Die Menschen aus den Nachbarländern, die sich so nah aber doch so fern sind, sollen sich im Swiss German Club näherkommen. Der Club unterhält Dependancen auch in Deutschland.

"Nein, die verhalten sich immer korrekt"

Burkhalter verneint nicht, dass kommunikative und kulturelle Gräben zwischen Deutschen und Schweizern existieren. "Doch wenn die Deutschen ihr eigenes Clübchen in der Schweiz gründen und die schweizer ihr eigenes Clübchen in Deutschland, dann vertiefen sich die Unterschiede".

Dieser Satz hätte auch von Ronald Triller stammen können. Triller verließ im Jahr 2000 Berlin in Richtung Bern. "Ich bin ein Mitbringsel", sagte er grinsend und nippt an seinem Panaché. "Meine Lebenspartnerin bekam einen Vertrag als Profispielerin in einem Volleyballclub, und ich bin einfach mitgegangen", sagt der hochgewachsene Mann.

Triller sitzt in einem Straßencafe in der Berner Spitalgasse. Auf der anderen Straßenseite findet sich sein Arbeitgeber, eine Schweizer Bank. Zwar empfindet er die Schweizer auch als reserviert. "Sie sind aber auch sehr zuvorkommend und angenehm im Umgang", urteilt Triller. Ist er schon einmal von schweizern angepöbelt worden, weil er Deutscher ist? "Nein, die verhalten sich immer korrekt", antwortet er. "Nur beim Fußball, da gönnen sie den Deutschen nicht viel. Wenn die Deutschen bei einer Welt- oder Europameisterschaft verlieren, sind die schweizer zufrieden." Der Banker aus Berlin lacht und verabschiedet sich - höflich.