E10 muss weg! Oder doch nicht?

Foto: dpa/Caroline Seidel
Getreide kann zu Biosprit weiter produziert werden - oder hungernde Familien in Afrika ernähren.
E10 muss weg! Oder doch nicht?
Wird der Agrartreibstoff abgeschafft, können wir was gegen den Hunger tun, sagt Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel. Er facht damit eine Debatte an, in der die Verbraucher verwirrt und selbst die Experten sich nicht einig sind.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat mit seiner Forderung nach einem Verkaufsstopp von E10 die Debatte um Biokraftstoffe neu entfacht. Entwicklungsexperten sind unterschiedlicher Ansicht über den Vorstoß. "Der Zusammenhang zwischen der Agrartreibstoffproduktion und dem Welthunger ist bewiesen, wir haben eine Verantwortung", sagte der Ernähungsexperte der Menschenrechtsorganisation Fian, Roman Herre, am Donnerstag dem epd. Agrartreibstoffe abzuschaffen sei ein richtiger Schritt.

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Rainer Lang, Sprecher von Brot für die Welt, betonte, Land müsse zuerst dafür da sein, Nahrungsmittel anzubauen. "Es sei ungerecht und verantwortungslos, dass Menschen hungern müssen, damit wir mit einem scheinbar reinen Gewissen unsere Autos tanken können", sagte er der "Westdeutschen Zeitung" (Donnerstagsausgabe). Niebel hatte am Mittwoch angesichts steigender Agrarpreise, Dürren und hungernder Menschen einen Verkaufsstopp des Kraftstoffs E10 gefordert. E10 hat einen Anteil von zehn Prozent Bioethanol und wurde 2011 in Deutschland eingeführt.

"Heute und morgen hilft das keinem Menschen"

Welthungerhilfe-Präsidentin Bärbel Dieckmann hingegen sieht keine Auswirkungen auf die Ernährungssituation armer Länder, wenn in Deutschland kein E10 mehr verkauft würde. "Es ist eine punktuelle Maßnahme, die heute und morgen keinem Menschen hilft, weil sie nicht zu sofortigen Preissenkungen führen würde", sagte sie im WDR. "Es werden ausreichend viele Lebensmittel weltweit produziert, um die sieben Milliarden Menschen zu ernähren." Das gelte auch, wenn sechs Prozent der Weltgetreideernte für Biosprit genutzt würden, wie derzeit. "Aber wir haben ein Verteilungsproblem."

Auch der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes, Klaus Picard, lehnte Niebels Vorstoß ab. E10 sei nur einer der Kraftstoffe mit einem Ethanol-Anteil. Auch der "normale Kraftstoff" enthalte fünf Prozent Ethanol, sagte er im WDR. Ein Problem seien vielmehr die Agrarexporte zu Dumpingpreisen in arme Länder. "Hier müsste Herr Niebel ansetzen: Man muss diese Länder in die Lage versetzen, sich selbst zu ernähren."

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Niebel betonte, es gehe darum, sich im Zweifel für die hungernden Menschen zu entscheiden. "Ich glaube, dass die derzeitige Nahrungsmittelkrise einmal auch Europa zum Umdenken zwingen muss", sagte er dem epd in der kenianischen Stadt Kisumu am Viktoriasee. Das Thema sei alles andere als ein Nebenkriegsschauplatz, da die Hälfte der Maisernte in den USA in die Energieerzeugung gehe. Das Umwelt- und das Ernährungsministerium, die von der Frage ebenfalls betroffen sind, waren zunächst zu keiner Stellungnahme bereit.

Herre sieht wie Dieckmann ein Problem in der Verteilung der Nahrungsmittel und Ressourcen. Doch genau da könnte sich seiner Meinung nach eine Abschaffung von Agrartreibstoff auswirken. "Denn die Ungerechtigkeit verschärft sich durch den Preisanstieg." Der wiederum komme unter anderem durch die Spekulation mit Agrarrohstoffen. "Und die Spekulationen würden nach einen Agrartreibstoff-Aus sehr stark zurückgehen." Die Einführung von Biosprit sei eine poltische Entscheidung gewesen, die zur Explosion der Getreidepreise beigetragen und damit das Recht auf Nahrung vieler Menschen verletzt habe.