"Ethisch gesehen ist eine Reichensteuer alternativlos"

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Wäre es wie im Märchen, dann regnete das Geld wie Sterne vom Himmel. Weil die Realittät anders aussieht, fordert ein linkes Aktionsbündnis eine Reichensteuer.
"Ethisch gesehen ist eine Reichensteuer alternativlos"
Das Bündnis "Um-fair-teilen - Reichtum besteuern" fordert eine Reichensteuer. Doch wäre eine solche Steuer überhaupt gerecht? Ein Gespräch mit Ulrich Thielemann, Direktor der Berliner MeM Denkfabrik für Wirtschaftsethik.
15.08.2012
evangelisch.de
Jana Hofmann

Befürworter der Reichensteuer sagen, dass damit dem Sozialstaat geholfen werde. Ist es gerecht, dass ein Einzelner so viel Geld von seinem Einkommen an die Gemeinschaft abgeben muss?

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Ulrich Thielemann: Man sollte anders fragen. Man sollte fragen: Woher hat denn der Einzelne so viel Geld? Man muss vorher fragen, ob die Einkommen und Vermögen überhaupt leistungsgerecht zustande gekommen sind, also dem Leistungseinsatz angemessen sind, den man erbracht hat. Selbstverständlich ist es nicht wissenschaftlich bestimmbar, was jetzt im Einzelnen leistungsgerecht ist. Aber diese Frage wird vielfach gar nicht erst gestellt, sondern angenommen, je höher das Einkommen ist, umso mehr ist man "Leistungsträger".

Die Leistungsgerechtigkeit der Einkommen und Vermögen wird zunehmend in Frage gestellt. Man schaue auf die Ein-Prozent-Diskussion in den USA. Man müsste eigentlich eine ähnliche Diskussion hier führen, die müsste dann Zehn Prozent heißen. Die Verhältnisse sind nicht so gravierend wie in den USA, aber gehen in diese Richtung. Die reichsten zehn Prozent in Deutschland besitzen etwa zwei Drittel des Gesamtvermögens. In den letzten zehn Jahren ist das Wachstum und mehr als das Wachstum vollständig zu den Kapitaleinkommen gewandert. Ist das leistungsgerecht? Man darf solche Fragen stellen. Man kann auch fragen: Ja, wie ist das denn mit diesen Kapitaleinkommen? Die sind natürlich definitionsgemäß leistungslos erworben worden.

Was kann man denn tun, um diese Einkommen gerechter zu machen?

Thielemann: Man sollte nicht nur einfach hinnehmen, dass da diese Einkommen sind, die massiv angewachsen sind und kaum als leistungsgerecht zu beurteilen sein dürften. Man sollte also auch die Entstehungsseite dieser Einkommen beleuchten und dann hat die Steuergerechtigkeit zwei Dinge zu tun: Man hat einen öffentlichen Ausgabenbedarf. Wer ein höheres Einkommen hat, dem fällt es leichter, dazu beizutragen. Das ist das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip. Die zweite Seite ist die Korrektur dieser nicht leistungsgerecht hohen Einkommen.

Wäre dann eine Reichensteuer eine Alternative?

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Thielemann: Man sollte nicht von Reichensteuer sprechen, sondern von einer höheren Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen. Hier und heute ist sie selbstverständlich sehr notwendig. Ethisch gesehen ist es beinahe alternativlos, dass exorbitant hohe Vermögensbestände abgeschmolzen werden. Denn die gegenwärtige Krise besteht letztlich darin, dass die Beschäftigten darin überfordert sind, diese Vermögen zu bedienen.

Wäre die "Bierdeckelsteuer" nach Paul Kirchhof, bei der jeder 25 Prozent zahlen müsste, eine gerechtere Variante?

Thielemann: Reife Volkswirtschaften haben einen hohen öffentlichen Ausgabenbedarf und sie haben eine hohe Sparquote, weil es immer mehr Leute gibt, die ihr Geld gar nicht brauchen ausgeben, sondern die sparen. Und diese hohen Einkommen müssen teilweise wegbesteuert werden, weil diese hohen Kapitaleinkommen über den Wettbewerb zu viel Druck ausüben auf die Nicht-Rentiers, die Beschäftigten. Da wären 25 Prozent viel zu wenig.

Handelt jemand unmoralisch, wenn er nicht so viele Steuern zahlen will und ein Teil seines Einkommens illegal in Banken in der Schweiz unterbringt?

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Thielemann: Wer würde denn daran zweifeln? Was wäre denn die Begründung dafür? Das Illegale ist in den meisten Fällen ja auch illegitim.

Stellen wir uns vor, die Reichensteuer würde durchgesetzt. Wie bewerten Sie die Situation, wenn jemand dann sein Geld außer Landes bringt?

Thielemann: Man betätigt sich dann als Trittbrettfahrer. Man bleibt ja hier in Deutschland ansässig, nutzt die öffentliche Infrastruktur, beteiligt sich aber nicht angemessen an deren Finanzierung.