Auslegungssache: Rüstungsexportgesetze in Deutschland

Gewehrpatronen neben einem Globus
Istockphoto/Hal Bergman
Umstrittene Exporte: Darf die Bundesrepublik Rüstungsgüter an Staaten wie Saudi-Arabien liefern?
Auslegungssache: Rüstungsexportgesetze in Deutschland
Auf den ersten Blick gibt es in Deutschland strenge Gesetze für Rüstungsexporte. In unserem Schwerpunkt "Rüstung" werfen wir einen zweiten Blick auf die Gesetze. Es zeigt sich: die Gesetze sind durchaus handhabbar für deutsche Rüstungsunternehmen. Denn Rüstung ist nicht gleich Rüstung.
06.09.2012
evangelisch.de

Dem Gesetz nach gibt es einen Unterschied zwischen Kriegswaffen auf der einen sowie sonstigen Rüstungsgütern und Dual-Use-Gütern auf der anderen Seite. "Als Kriegswaffen gelten Waffen, die zur Kriegführung bestimmt sind, das heißt die geeignet sind, Tod und Zerstörung zu verursachen“, erklärt Professor Michael Brzoska, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Zu den Kriegswaffen zählen beispielsweise Kampfhubschrauber und Panzer, aber auch Zünder für Torpedos und Minen (eine vollständige Liste gibt es hier).

Der Export von Kriegswaffen ist grundsätzlich verboten – das sagt zumindest das Kriegswaffenkontrollgesetz. Es sei denn, die Bundesregierung genehmigt das Geschäft. Im Jahr 2010 hat sie Exportgenehmigungen für Kriegswaffen im Wert von 1,5 Mrd. Euro erteilt. Zusammen mit den sonstigen Rüstungsgütern und Dual-Use-Gütern erreicht der Wert der erteilten Genehmigungen für Rüstungsexporte 4,754 Mrd. Euro.

###mehr-links### Möchte ein Unternehmen nun Kriegswaffen ins Ausland verkaufen, muss es dafür eine Genehmigung beim Bundeswirtschaftsministerium beantragen. Dieses stimmt sich mit anderen Ressorts, etwa dem Verteidigungsministerium und dem Auswärtigen Amt, ab.

Können sich die Ministerien nicht einigen oder handelt es sich um heikle Geschäfte, entscheidet der Bundessicherheitsrat. Er ist ein Kabinettsausschuss und das höchste Organ für die deutsche Sicherheitspolitik. Das Gremium hat neun ständige Mitglieder: Neben der Kanzlerin, dem Vizekanzler und dem Bundeskanzleramtschef sind das die Minister für Finanzen, Auswärtiges, Inneres, Justiz, Verteidigung und Entwicklung. Der Bundessicherheitsrat prüft nun, ob der Export den Richtlinien für Waffenexporte der Bundesregierung entspricht.

Vor allem die außen- und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik, aber auch die Menschenrechtslage im potentiellen Käuferland spielen in den Richtlinien eine Rolle. Doch nach welchen Gesichtspunkten der Bundessicherheitsrat entscheidet, ist ihm überlassen, erklärt Brzoska: "Diese Richtlinien sind interpretierbar. Nur weil es beispielsweise grobe Menschenrechtsverletzungen im Käuferland gibt, bedeutet das noch lange nicht, dass ein Waffenexport nicht genehmigt wird.“ So genehmigte die Bundesregierung im Jahr 2009 Rüstungsexporte nach Ägypten – ein Land, dessen Menschenrechtssituation von Gruppen wie Pax Christi lange vor dem arabischen Frühling als "problematisch“ eingestuft wurde.

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Welche Gründe die Bundesregierung nun veranlassen, den Export zu genehmigen, muss sie nicht offen legen. Denn Rüstungsexporte unterliegen der Geheimhaltung. "Das Parlament und die Öffentlichkeit erfahren erst viel später von der Genehmigung, nämlich dann, wenn es schon längst zum Geschäft gekommen ist“, so Rüstungsexperte Brzoska. So fordern Nichtregierungsorganisationen wie die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) seit Jahren mehr Transparenz bei Rüstungsexporten, da nicht klar sei, wer was wann wohin exportiere.

Vereinfachter Export von Einzelteilen

Geschäfte wie die Panzerlieferungen für Saudi-Arabien, bei denen es um den Export von kompletten Waffensystemen geht, sorgen – einmal an die Öffentlichkeit gelangt – für heftige Kontroversen. Wovon die deutsche Öffentlichkeit kaum erfährt, sind Exportgeschäfte mit einzelnen Kriegswaffenkomponenten, etwa mit Zündern für Torpedos. Diese können theoretisch ganz legal in Länder gelangen, für die die Bundesregierung eigentlich keine Geschäfte genehmigen will.

Das kann auf folgenden Wegen geschehen: Beantragt ein deutscher Hersteller beispielsweise die Exportgenehmigung für solche Zünder nach Frankreich, wird er die Genehmigung in aller Regel problemlos erhalten, da die Bundesregierung Exporte in EU- und Nato-Staaten grundsätzlich genehmigt. Baut der französische Importeur nun den Zünder in einen Torpedo, kann er diese Kriegswaffe nach Libyen oder die Demokratische Republik Kongo exportieren – der Bundesregierung ist er zu keiner Auskunft verpflichtet. "Dass diese Komponente deutschen Ursprungs ist, ist dann nach deutschem Recht egal: Wenn der Wert des eingebauten Produkts weniger als 20 Prozent an der Endware beträgt, gilt die Endware als neue Ware“, erklärt Brzoska. Solche transnationalen Rüstungskooperationen, bei denen europäische Unternehmen wie EADS Komponenten für Kriegswaffen in mehreren europäischen Staaten einkaufen, montieren und dann exportieren, werden in der Zukunft noch weiter zunehmen, ist sich Brzoska sicher.

Deutsche Waffen made in Pakistan

Darüber hinaus verkaufen deutsche Hersteller auch Lizenzen für den Waffenbau an so genannte Drittstaaten und sichern sich so den Export von Kriegswaffenkomponenten. Beispiel Kleinwaffen: Das Unternehmen Heckler und Koch erteilte bereits in den 1960er Jahren mit Genehmigung der Bundesregierung Lizenzen zum Bau des Sturmgewehrs G3 unter anderem an Pakistan, Iran und Saudi-Arabien. Auch hier kann die deutsche Regierung nicht mehr kontrollieren, wohin die Waffen nach der Montage exportiert werden. So sind Milizen in der sudanesischen Region Darfur mit G3-Gewehren ausgerüstet. Es wird vermutet, dass sie aus dem Iran stammen.

###mehr-artikel### Möchte ein Hersteller keine Kriegswaffen, sondern sonstige Rüstungsgüter oder Dual-Use-Güter exportieren, muss er kaum Einschränkungen befürchten. Denn deren Export fällt unter das Außenwirtschaftsgesetz und steht unter dem Genehmigungsvorbehalt. Das heißt, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle erteilt grundsätzlich eine Genehmigung – wenn nicht, muss es die Ablehnung begründen.

Zu den sonstigen Rüstungsgütern gehören Radaranlagen, Nachtsichtsysteme und Zielerfassungsgeräte. Zwar kann ein Zielerfassungsgerät alleine noch keinen Menschen töten, dennoch sorgt es letztlich dafür, dass zum Beispiel ein Torpedo sein Ziel genau trifft und somit tödlich ist. Was zu den sonstigen Rüstungsgütern gehört, regelt die Ausfuhrliste der Außenwirtschaftsverordnung.

Dual-Use-Güter hingegen sind Güter, die sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke genutzt werden können. Darunter fallen etwa Dieselmotoren, wenn sie sowohl Panzer als auch große Baumaschinen und Traktoren antreiben können. So gelangten Panzerketten nach Weißrussland und Dieselmotoren nach Eritrea und Indien, wie die Rüstungsexperten Otfried Nassauer und Christopher Steinmetz in ihrer Studie "’Made in Germany’ inside“ aufzeigten.

Bundesregierung will Waffenexporte vereinfachen

Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, sollen Waffenexporte in Zukunft noch leichter werden: Vergangenen Herbst versuchte sie, eine einheitliche Rüstungsexportpolitik in der Nato durchzusetzen. Damit wollte sie den Waffenexport in ausgewählte Drittstaaten – darunter Ägypten – für deutsche Firmen erleichtern. Kritik hätte sie mit dem Argument begegnen können, dass solche Exporte nun mal von der Nato als unbedenklich eingestuft wurden. Doch die Regierung scheiterte mit ihrem Versuch.

Glaubt man Medienberichten, scheint sie nun einen neuen Vorstoß zu wagen: Der Spiegel berichtet in seiner Ausgabe vom 30. Juli 2012, dass künftig Waffenexporte in ausgewählte Staaten, darunter Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar, erleichtert werden sollen. Fakt ist, dass die Bundesregierung diese Staaten als so genannte Gestaltungsmächte bezeichnet, die für Stabilität in ihrer Region sorgen und daher von Deutschland unterstützt werden sollen. Ob damit allerdings auch Waffenexporte gemeint sind,  bleibt bislang Spekulation – offiziell hat die Bundesregierung dies nicht bestätigt.