Die Aufpasser von Tegel

Foto: Karola Kallweit
Die Aufpasser von Tegel
Am Flughafen Tegel sorgen fast 1.600 Mitarbeiter für die Sicherheit. Bernd Hagemann ist Bundespolizist und erzählt von seinem Alltag auf dem Flughafen, der manchmal auch schwierige Momente bereithält. Aber auf solche Situationen sind Sicherheitspersonal und Bundespolizei vorbereitet.

Die Fenster in Bernd Hagemanns Büro bleiben wegen des Lärms geschlossen. Aber wenn sein Blick durch die Fenster in die Ferne schweift, dann weiß er jedes Mal aufs Neue, warum er hier sitzt. Die Ferne, das ist das Rollfeld des Flughafens Tegels. "Wenn dann mal so neun Flugzeuge hintereinander in einer Reihe stehen und auf den Start warten", schwärmt Hagemann. Tegel. Einst die Flugbrücke in den Westen. Für drei Millionen Fluggäste war der Flughafen beim Bau gedacht. Heute sind es 17 Millionen. Tendenz steigend. Für die Sicherheit sind 390 Bundespolizisten tätig. Einer von ihnen ist Hagemann, der seit 1997 hier arbeitet.

Bernd Hagemann von der Bundespolizei am Flughafen Tegel. Foto: Karola Kallweit

Personenkontrolle, Personalkontrolle und Gepäckkontrolle. Die Sicherheit am Flughafen ist ein weites Feld. Die Bundespolizisten in Tegel werden von insgesamt 1.200 Mitarbeitern einer großen Sicherheitsfirma unterstützt. "Seit 9/11 haben sich die Maßnahmen schon verschärft", so Hagemann. Passagiere und Gepäckstücke mit Flugziel Israel oder USA würden noch genauer kontrolliert als auf einem innerdeutschen Flug. Natürlich gebe es auch Situationen, in denen man sensibel reagieren müsse: "Wenn jemand eine Behinderung hat oder wenn ein Fluggast Turban oder Verschleierung trägt, die zwecks Überprüfung vom Körper entfernt werden müssen." Dafür habe man aber Nachkontrollkabinen zum Schutz der Privatsphäre. Racial Profiling, also genauere Kontrollen aufgrund äußerer Merkmale, gibt es in Tegel laut dem Flughafenbetreiber nicht: "Am Flughafen wird jeder gleich behandelt."

Männlich, 31 Jahre, ursprünglich aus dem Nahen Osten

Racial Profiling – das steht für gezielte Personenkontrollen von Menschen "nichtdeutschen Aussehens" durch die Polizei. Erst im Februar dieses Jahres hat das Verwaltungsgericht Koblenz ein Urteil gesprochen, das diese Praxis für legitim erklärt. Die Vorgeschichte: Ein deutscher Zugreisender wird von der Bundespolizei aufgefordert sich auszuweisen. Der Angesprochene weigert sich, fühlt sich durch die Beamten diskriminiert. Er wird auf das Revier mitgenommen und anschließend von der Bundespolizei wegen Beamtenbeleidigung angezeigt. Im Verfahren geben diese zu Protokoll, den Mann gezielt kontrolliert zu haben, da sie ihn aufgrund seiner Hautfarbe für einen Illegalen hielten. Die Klage des Mannes gegen diese diskriminierende Praxis wird abgewiesen.

Eine ähnliche Erfahrung hat Belit Onay am Flughafen Hannover gemacht. Als der türkischstämmige Deutsche im März dieses Jahres von einer Spendenreise aus der Türkei zurückkehrt, wird er bei der Einreise zunächst von einem Bundespolizisten und dann vom Verfassungsschutz befragt. Bis heute ist der 30-jährige verärgert: "Ich habe weder ein Strafregister noch habe ich besonders religiöse Tendenzen. Es kann nur das Racial Profiling, das Rassenprofil sein. Männlich, 31 Jahre, ursprünglich aus dem Nahen Osten oder aus der Türkei stammend."

Racial Profiling am Flughafen "bringt nichts"

Die Passkontrolle dauerte länger als bei den anderen Fluggästen. Nach einigen Minuten kam jemand vom Verfassungsschutz dazu, der Onay zu Themen wie Terrorismus und Islamismus befragte. Auf die Frage Onays, ob alles in Ordnung sei, antwortete man ihm, dass es sich lediglich um einen Routineüberprüfung handele. Nach der Befragung, die öffentlich vor anderen Fluggästen stattgefunden hat, durfte er mit einem flauen Gefühl im Bauch wieder gehen. "Bis heute habe ich ein komisches Gefühl, wenn ich Polizisten sehe", so Onay, Jurist und Politiker bei den Grünen in Hannover.

Dieses Phänomen kennt auch der Sozialpsychologe Dr. Ulrich Wagner von der Philipps-Universität Marburg. "Das ist extrem erniedrigend, wenn man vor anderen kontrolliert wird. Man löst möglicherweise die Konsequenzen, die man vermeiden will, so erst aus, wie in einer Art selbsterfüllende Prophezeiung. Wenn ich jemanden häufig genug als abweichend von der Norm behandle, dann wird er sich am Ende eventuell auch so verhalten."

Interkulturelle Kommunikation für "Situationen, die schwierig werden könnten"

Verdachtsunabhängige Überprüfungen hätten darüber hinaus, so Wagner, nicht allein negative Auswirkungen auf die Kontrollierten, sondern auch auf diejenigen, die die Kontrolle durchführen und die umstehenden Zeugen. Racial Profiling am Flughafen bringt laut dem Experten nichts, da die Effektivität gegen Null gehe. "Und wenn ich das jetzt gegeneinander abwäge, also die Ineffektivität eines Racial Profiling in Bezug auf ein so seltenes Ereignis wie einen Terrorakt in der Luft und dann die großen Schäden sehe, die so etwas nach sich zieht, da finde ich es gut, wenn die das in Tegel nicht machen."

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Am Tegeler Flughafen ist es jetzt Mittag. Zu den Stoßzeiten, morgens und abends, ist mehr los. Hagemann steht an der Passagier- und Handgepäckkontrolle am Terminal C. In fünf Schlangen können sich die Fluggäste anstellen. An den Röntgengeräten und Metalldetektordurchgängen steht das in Gruppen eingeteilte Leihpersonal der Sicherheitsfirma. Am Ende dieser "Sicherheitsstraße" stehen große Glaskästen für die zu viel mitgeführten Feuerzeuge. In allen Farben und Hunderte davon. In einem der Kästen ragt unter all den Feuerzeugen ein kleiner schwarzer Plastikrevolver heraus. Ein Fluggast muss noch mal zurück und seinen Gürtel ausziehen. "Also da sind ja nicht nur Geschäftsmänner, das sind Leute, die sind noch nie in ihrem Leben geflogen, da geht die Pumpe und die kennen manche Regeln nicht", erklärt Hagemann nachsichtig.

Auf die Ausbildung des Sicherheitspersonals legt man am Tegeler Flughafen sehr großen Wert. "Das sind nationale, internationale Standards, die finden Sie an jedem Flughafen" so Hagemann. Die Mitarbeiter der Sicherheitsfirma müssen eine abgeschlossenen Ausbildung haben, eine Zuverlässigkeitsüberprüfung durch den Flughafenbetreiber und eine Beleihungsüberprüfung durch die Bundespolizei über sich ergehen lassen. Die Beleihungsprüfung besteht aus einem praktischen und einem theoretischen Teil und bedeutet, dass der Geprüfte nach erfolgreichem Bestehen an die Bundespolizei verliehen werden darf. Zudem würden sie auch in interkultureller Kommunikation geschult. Man bereite sie auf Situationen vor, die schwierig werden könnten.

Alle werden gleich behandelt, auch Muhammad Ali

Einer, der an der Personenkontrolle arbeitet, ist Sven Meinke. Meinke mag seinen Job. Seit sieben Jahren sei er dabei, habe sich mittlerweile auch zum Teamleiter hochgearbeitet. "Einmal stand der Muhammad Ali vor mir", erzählt er stolz. "Das war schon toll! Trotzdem, bei der Kontrolle sind alle gleich." Das kann laut Professor Wagner gut sein: "Jeder Mensch hat zwar Vorurteile, denen er oder sie sich nicht entziehen kann, welchen man aber durch psychologische Trainings entgegenwirken kann." Die Frage ist also nicht, ob man Vorurteile hat, sondern wie die Regelung in diesem Punkt am jeweiligen Flughafen ist.

"Die Leute wollen raus aus ihrem Alltag, die freuen sich. Das ist nicht so wie in der Warteschlange an der Kasse beim Einkaufen. Das ist 'ne besondere Atmosphäre hier." Hagemann steht auf dem Rollfeld. Stolz und ein klein wenig wehmütig blickt er über sein Reich. Das alte Tegel. Wer weiß schon, wie lange hier noch kontrolliert wird? "Drüben", seine Hand weist auf das andere Ende des Geländes, "am Militärflughafen, da machen wir nix. Da ist das Auswärtige Amt für zuständig." Wann er das letzte Mal geflogen sei? Er fliege nicht so oft, sagt der Bundespolizist, aber wenn, dann sei auch er ein ganz normaler Fluggast.