In den Achtzigern bildeten Filme über Kriegsberichterstatter ein eigenes Genre des Journalistenkinos. Hollywood-Werke wie "Under Fire", "The Killing Fields - Schreiendes Land" oder "Ein Jahr in der Hölle" waren ebenso wie Volker Schlöndorffs Nicolas-Born-Verfilmung "Die Fälschung" gelungene und spannende Diskurse über die Herausforderungen des Berufs. Unter anderem ging es regelmäßig um die Frage, ob sich die Journalisten an die durchs Berufsethos vorgegebene Neutralität halten sollen oder ob sie sich für eine Seite entscheiden.
Lancelot von Nasos Regiedebüt reiht sich nahtlos in dieses Subgenre ein. Die Autoren (von Naso, Kai Uwe Hasenheit und Collin McMahon) haben die Handlung im Irak des Jahres 2004 angesiedelt. Der Krieg ist nur offiziell vorbei, es gibt immer noch Kämpfe zwischen sunnitischen Aufständischen und den Amerikanern. Weil einem Krankenhaus in Falludscha das Nötigste fehlt, um ihre Patienten zu versorgen, wollen ein französischer Arzt (Matthias Habich) und eine holländische Krankenschwester (Thekla Reuten) einen 24-stündigen Waffenstillstand nutzen, um von Bagdad aus Blutkonserven und Medikamente in die sunnitische Stadt zu bringen. Ein Reporter Oliver (Max von Pufendorf) und sein Kameramann Ralf (Hannes Jaenicke) begleiten den Transport.
Den Großteil der ersten Filmhälfte inszeniert Lancelot von Naso als Quasi-Kammerspiel: Die Reisenden müssen auf engstem Raum im Minibus miteinander auskommen und verbergen ihre Nervosität hinter markigen Dialogen. Während Habich routiniert den Camus zitierenden Zyniker gibt ("Niemand ist unschuldig"), darf Jaenicke gewohnt kernige, hier aber sehr rollenkonforme Sprüche zum Besten geben. Düster prognostiziert Ralf, in die Nachrichten kämen sie nur dann, wenn man ihnen den Kopf wegpuste. Da ahnt er noch nicht, dass es gar keine Genehmigung für die Tour gibt und die beiden Journalisten bloß dabei sind, damit der Bus die Kontrollen passieren kann. Ein amerikanischer Offizier rät dringend, die nächtliche Ausgangssperre zu beachten. Von Waffenstillstand kann ohnehin keine Rede sein, der Bus gerät gleich mehrfach unter Beschuss. Nicht alle Passagiere werden das Himmelfahrtskommando überleben. Der schlichte, aber berührende Epilog vermittelt die Haltung der Filmemacher.
Beim ZDF – der Film ist mit Geld vom Kleinen Fernsehspiel entstanden - gilt von Naso als große Hoffnung, und das völlig zu Recht, wie diverse Auszeichnungen belegen (unter anderem "Fernsehfilm des Jahres" beim Prix Europa). Von der Führung der prominenten Darsteller bis hin zur dynamischen Inszenierung der Überlandfahrt ist dem Absolventen der Filmhochschule in München ein bemerkenswertes Debüt gelungen. Die Bildgestaltung (Felix Cramer) ist ohnehin eindrucksvoll und sorgt dafür, dass der Film optisch aufwändig wirkt. Schade, dass das ZDF sich nicht dazu durchringen konnte, "Waffenstillstand" trotz Untertitel auf dem Montagstermin als "Fernsehfilm der Woche" zu zeigen.