"Pussy-Riot-Prozess": negative PR-Kampagne für Staat und Kirche

Foto: Thomas Meyer
Schriftsteller Wladimir Kaminer.
"Pussy-Riot-Prozess": negative PR-Kampagne für Staat und Kirche
Der in Moskau geborene Berliner Schriftsteller Wladimir Kaminer rechnet mit einem milden Ausgang des Gerichtsprozesses gegen die russische Punkrockband "Pussy Riot". Er gehe davon aus, dass die Angeklagten den Gerichtssaal als freie Menschen verlassen, sagte Kaminer dem Evangelischen Pressedienst (epd).
08.08.2012
epd
Jens Büttner

Schließlich habe sich selbst Präsident Wladimir Putin zuletzt für ein mildes Urteil ausgesprochen. Da es sich nicht um ein unabhängiges Gericht handele, "muss es auf die Meinung des Präsidenten hören", sagte Kaminer.

Die Staatsanwaltschaft hatte am Dienstag in Moskau drei Jahre Haft wegen Rowdytums und religiöser Hetze gegen die drei Musikerinnen beantragt. Ein Freispruch der drei Frauen ist nach Einschätzung Kaminers allerdings nicht möglich, "weil sich dann die Frage stellen würde, was das Ganze eigentlich sollte". Vernünftig wäre indes ein Urteil, bei dem das halbe Jahr Untersuchungshaft als gerechte Strafe angesehen werde, so dass die Angeklagten nach dem Urteil freigelassen werden.

"Russisch-othodoxe Kirche ist staatliche Institution"

Nach Ansicht des Berliner Schriftstellers russisch-jüdischer Herkunft haben sich Kirche und Staat in Russland mit dem Prozess "eine negative PR-Kampagne geliefert, die sich kein Kirchenfeind besser hätte ausdenken können". Inzwischen würden die Einheimischen in Moskau von den Touristen gefragt, wie sie zur "Pussy-Riot"-Kirche kommen. Die Punkrockband "Pussy Riot" habe es tatsächlich geschafft, die Gesellschaft zu spalten und in eine Diskussion zu bringen, "die weder Literatur noch Soziologie hätten besser anzetteln können".

Besorgt äußerte sich Kaminer über die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche in diesem Verfahren. Sie habe sich zu einem "staatlichen Institut" entwickelt, anstatt ihre Unabhängigkeit zu wahren. "Nach einer solch leidensvollen Geschichte, nach so vielen vom Staat zerstörten Kirchen und vom Staat umgebrachten Kirchendienern wäre es doch eine viel logischere Entwicklung, wenn diese Kirche unabhängiger Beobachter wäre und nicht versucht, das moralische Gericht im Dienste des Staates auf die Bühne zu bringen", sagte der Autor. Auch viele Gläubige und viele Mitarbeiter der Kirche sähen dies sehr kritisch, fügte Kaminer hinzu.