Kirchenreformer und Vordenker: Wolfgang Huber wird 70

Foto: epd/Rolf Zöllner
Kirchenreformer und Vordenker: Wolfgang Huber wird 70
Umstrittene bioethische Fragen wie jüngst zur Sterbehilfe fordern Wolfgang Huber immer noch zur Stellungnahme heraus. Als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Berliner Bischof war er auf Kanzeln, dem politischen Parkett und in den Medien stets präsent.
07.08.2012
epd
Thomas Schiller

Seit zweieinhalb Jahren ist Wolfgang Huber, der am Sonntag 70 Jahre alt wird, im Ruhestand. Doch mit landläufigem Rentnerdasein hat sein Leben nicht viel gemein. Auch ohne die Ämter ist sein Terminkalender prall gefüllt.

Im Bereich seiner Landeskirche kümmert er sich um die Sanierung des Brandenburger Doms und den Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam. Für die EKD nimmt er das Mandat im Deutschen Ethikrat wahr. Doch er arbeitet inzwischen auch auf eigene Rechnung: Wolfgang Huber hält Vorträge für Unternehmen und Verbände. "Wir leben in ethischer Hinsicht in einer ganz herausfordernden Zeit", sagt der Theologieprofessor. Sein großes Werk, das er gerade schreibt, ist nicht weniger als ein ethisches Gesamtkonzept nicht nur für Christen. "Eine christliche Ethik im Geiste öffentlicher Theologie zu entwickeln ist eine Aufgabe, die Freude und Lust macht." Und viel Arbeit, wie er rasch hinzufügt.

Vater bleibt zu Hause, Mutter arbeitet

Sein strenges Leistungsdenken ist ihm aus dem Elternhaus mitgegeben worden. Vater Ernst-Rudolf, einer der führenden Verfassungsrechtler der NS-Zeit, verbrachte die Nachkriegsjahre, in denen er wegen seiner Verstrickung keine Professur erhielt, dennoch täglich am Schreibtisch, während seine Mutter Tula, Tochter des Reichsaußenministers Walter Simons, als Rechtsanwältin die Familie durchbrachte.

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Als jüngster von fünf Brüdern wird Wolfgang kein Jurist, sondern Theologe. Nach Vikariat und Aushilfs-Pfarrstelle geht er 1968 an die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, eine protestantische Denkfabrik in Heidelberg. Ab 1980 lehrt er dann als Universitätsprofessor, in Marburg Sozialethik und in Heidelberg systematische Theologie. 1985 leitet Huber als Präsident den Kirchentag in Düsseldorf. Für die SPD steht er 1993 vor einer Bundestagskandidatur, doch er entscheidet sich für das Bischofsamt, das er bis 2009 ausübt.

Eine Antwort nach seinen besten Jahren fällt ihm schwer. Auch den Kriegserinnerungen in Straßburg, wo er 1942 geboren wurde, und den nschließenden Hungerjahren im Schwarzwald gewinnt Huber positive Aspekte ab. Als größtes Glück betrachtet er die Ehe mit seiner Frau Kara, mit der er im August 46 Jahre lang verheiratet ist. Das Paar hat drei erwachsene Kinder und vier Enkel.

"Ein Glücksfall, dass er nicht in die Politik gegangen ist"

Sein Leben hat sich verändert: "Mehr Zeit für die Familie, mehr Zeit zur Muße und Besinnung, mehr Zeit zum Sport, aber auch mit neuen Ideen." In der Zeit seiner kirchlichen Spitzenämter hat Wolfgang Huber sich selbst und seinem Umfeld ein enormes Maß an Tempo und Leistung abverlangt. Heute sieht er manches kritischer - etwa seine Rolle beim Berliner Volksbegehren für Religionsunterricht "Pro Reli": "Da war ich nicht immer so heiter, wie man eigentlich sein sollte."

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Auch beim tiefgreifenden Reformprozess der EKD seien einige "kühne Vorstellungen" zu weit gegangen. Von den Grundannahmen, um die EKD für Zeiten mit weniger Mitgliedern und knapperen Mitteln auszurichten, ist er weiterhin überzeugt: "Die Ziele sind richtig - eine Konzentration auf den Kern unseres kirchlichen Auftrags zu verbinden mit dem Brückenschlag zu den Menschen, die den Kontakt zum christlichen Glauben verloren haben." Das sieht auch der aktuelle Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider noch so: Das unter Hubers maßgeblicher Initiative entstandene Impulspapier "Kirche der Freiheit" habe die Reformdiskussion in der Kirche belebt und inspiriere sie bis heute, sagt er dem epd. "Es war ein Glücksfall für unsere Kirche, dass Huber 1994 nicht in die Politik gegangen ist."

Noch einmal war Huber kurz davor. Fast einen Sonntag lang war er im Februar 2012 nach dem Rücktritt von Christian Wulff als Nachfolgekandidat für das höchste Staatsamt im Gespräch. Angefragt hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel, als Joachim Gauck noch ohne Mehrheit war. Huber wäre gern Bundespräsident geworden, räumt aber heute ein: "So, wie es jetzt ist, ist es sehr gut."