US-Polizei spricht nach Angriff auf Sikh-Tempel von Terrorismus

Foto: dpa/Tannen Maury
Angehörige warten auf Nachrichten über die Folgen des tödlichen Angriffs auf den Sikh-Tempel in Oak Creek.
US-Polizei spricht nach Angriff auf Sikh-Tempel von Terrorismus
Nach dem Angriff auf einen Sikh-Tempel im US-Bundesstaat Wisconsin bleibt das Motiv des Todesschützen unklar. Der Mann hatte am Sonntag (Ortszeit) in einem Tempel in Oak Creek sechs Angehörige der Glaubensgemeinschaft getötet, bevor er selbst von der Polizei erschossen wurde. Drei Menschen wurden verletzt. Der Polizeichef von Oak Creek, John Edwards, wertete die Tat als "heimischen Terrorismus".

Im Zusammenhang mit der Bluttat stürmten schwer bewaffnete Sicherheitskräfte im Nahe gelegenen Ort Cudahy in der Nacht zum Montag eine Wohnung, in der der mutmaßliche Täter, der 41-jährige Wade Michael Page, offenbar wohnte. Nach Polizeiangaben vom Montag handelte Page als Einzeltäter. Allerdings würden Verbindungen zur "White Supremacy"-Szene geprüft, die die rassistische Ideologie vertritt, dass Menschen mit weißer Hautfarbe allen anderen überlegen sind.

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Nach Angaben des Anti-Rassismusverbandes Southern Poverty Law Center gehörte Page zeitweilig der "White Power"-Rockmusik-Szene an. Heidi Beirich, Expertin des Zentrums, sagte der Zeitung "Milwaukee Journal Sentinel", das Zentrum habe bereits seit 2000 von Page gewusst. Er sei ein "begeisterter Anhänger" der Idee gewesen, dass Weiße die überlegene Rasse seien und habe an zahlreichen entsprechende Veranstaltungen teilgenommen. Page diente laut Polizei von 1992 bis 1998 in der US-Armee. Wie die "Washington Post" berichtete, wurde er gegen Ende seiner Laufbahn vom Unteroffizier zum Soldaten zurückgestuft.

US-Präsident Barack Obama sagte, Sikhs seien "Teil der amerikanischen Familie". Die Glaubensgemeinschaft habe die Vereinigten Staaten bereichert. In den USA leben schätzungsweise 700.000 Sikhs. Sie beklagten in der Vergangenheit mehrfach Diskriminierungen, die zum Teil auf die Verwechslung mit Muslimen zurückzuführen ist. Im April appellierte der US-Kongressabgeordnete Joseph Crowley an das Justizministerium, Übergriffe auf Sikhs besser zu dokumentieren. Zahlreiche amerikanische Sikhs seien Opfer rassistischer Hassverbrechen, schrieb Crowley.

Der muslimische Bürgerverband Council on American-Islamic Relations bekundete nach der Tat sein Beileid. CAIR habe schon häufig gegen eine Diskriminierung der Sikhs protestiert und gegen Übergriffe auf Angehörige der Glaubensgemeinschaft. Die Tat im Sikh-Tempel ereignete sich nur etwa zwei Wochen nach dem Massaker in einem Kino in Aurora (US-Staat Colorado), bei dem zwölf Menschen ums Leben kamen.

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Weltweit leben Schätzungen zufolge 20 bis 25 Millionen Sikhs, der weit überwiegende Teil in Indien. Dort wurde der Sikhismus im 15. Jahrhundert begründet, der heute als Weltreligion gilt. Der Sikhismus hat Anteile aus dem Islam und stärker noch aus dem Hinduismus und gehört zu den großen Weltreligionen. Zu seiner Entstehungszeit vor rund 500 Jahren in Nordindien galt der Sikhismus als spirituelle Erneuerungs- und Einheitsbewegung. Vor allem die Mystik hat für Sikhs ("Schüler") einen hohen Stellenwert in ihrer religiösen Praxis. Mit weltweit schätzungsweise bis zu 27 Millionen Anhängern gilt der Sikhismus als die fünftgrößte Religion.

Heute machen die Sikhs etwa zwei Prozent - mehr als 20 Millionen - der rund 1,2 Milliarden starken Bevölkerung Indiens aus. In den USA soll es um die 250.000 bis zu 500.000 Sikhs geben. Nach Angaben der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin bestehen die größten Auslandsgemeinschaften in Kanada und Großbritannien. Für Deutschland werden Zahlen zwischen 5.000 und 15.000 genannt.

Der Religionsstifter Guru Nanak soll bei einem morgendlichen Flussbad im Jahr 1499 ein mystisches Erlebnis gehabt haben, das ihn dazu brachte, all seine Habe zu verschenken. Er zog als Wanderprediger zwölf Jahre über Land, um den Glauben an einen einzigen Gott zu verbreiten. Der aus der hohen Kriegerkaste stammende Guru schwor neben den Hindu-Göttern auch dem Kastenwesen ab, wie er im Hinduismus verankert ist. Er machte so die neue Religion für auch für niedrige Kasten und Kastenlose attraktiv. Die religiöse Reformbewegung kennt bis heute offiziell keine Kastenhierarchien wie der Hinduismus, soziale Schranken - etwa bei Eheschließungen - bestehen jedoch weiter.