Syrien: Kein Brot, kein Wasser, keine Sicherheit

Foto: dpa/Anadolu Agency
Eine syrische Familie flieht aus Aleppo. Die Stadt ist von den Kämpfen in Syrien voll erfasst worden. Syrer in Deutschland fürchten um ihre Angehörigen.
Syrien: Kein Brot, kein Wasser, keine Sicherheit
Schüsse fallen, Explosionen machen Häuser im syrischen Aleppo dem Erdboden gleich. Mittendrin lebt die Familie des in Göttingen lebenden Historikers Kamal Sido. Wie er bangen viele der rund 50.000 Syrer in Deutschland um das Leben ihrer Angehörigen.
03.08.2012
epd
Charlotte Morgenthal

Die Angehörigen von Kamal Sido in der umkämpften syrischen Metropole Aleppo schweben jede Minute in Lebensgefahr. "Sie haben keinen Strom, kein Brot und kein Wasser, keine Sicherheit", erzählt der in Deutschland lebende Nahost-Referent der Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker. Die syrische Armee des Assad-Regimes beschießt die Stadt seit einer Woche mit Hubschraubern und Artillerie, aber auch die Aufständischen seien stärker als zuvor bewaffnet.

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Kontakt zu seinen Geschwistern und der Mutter hält Sido über türkische Mobilfunknetze. Die syrische Telefonverbindung werde immer wieder unterbrochen. "Bisher ist meiner Familie glücklicherweise noch nichts passiert", sagt der 50-Jährige. Wie Sido leben nach Schätzung des Statistischen Bundesamts bis zu 50.000 Syrer in Deutschland. Viele von ihnen demonstrieren in Großstädten für ein Ende der Gewalt in ihrer Heimat.

Kamal Sido, der während eines Aufstands 1980 sein Heimatland verließ, sitzt nun rund um die Uhr vor dem Computer. Der 50-jährige Historiker nutzt soziale Netzwerke wie Facebook, um sich über die Lage in seinem Land auf dem Laufenden zu halten. Dies gehöre zu seinem Beruf, aber natürlich habe er dabei auch immer Angst um seine Freunde und Familie: "Es beschäftigt mich auch im Schlaf."

Kein Mehl, kein Wasser - und bei Schüssen fliehen alle

Seine Geschwister in Aleppo beginnen den Tag oft mit der Suche nach den wenigen offenen Bäckereien. Seit längerem wird kein Mehl mehr in die größte Wirtschaftsmetropole des Landes geliefert. Nur selten dringen private Hilfsorganisationen bis in die Vororte vor, um Wasser zu verteilen, weiß Sido. "Wenn Schüsse fallen, suchen alle schnell wieder Schutz in den Häusern."

Den 50-jährigen Menschenrechtler machen die gewaltsamen Auseinandersetzungen wütend. "Ich bin sauer auf die, die meine Stadt zerstören." Wie viele andere Syrer hatte er auf einen friedlichen Wandel gehofft. Er und seine Organisation fordern eine Ende der Gewalt, die nur zu mehr Radikalisierung führe.

Sie appellieren an westliche Politiker, keine Waffen nach Syrien zu liefern. "Die Syrer haben 2011 einen friedlichen Aufstand begonnen. Sie wollten ihr Land nicht zerstören." Viele wollten ein Ende der Diktatur, fürchteten aber gleichzeitig die Alleinherrschaft der aufständischen Islamisten.

Besondere Sorge um die christliche Minderheit

Besondere Sorge bereitet dem Wissenschaftler die christliche Minderheit der Landes. Allein in Aleppo leben rund 250.000 Christen, die aus der Stadt stammen und keine sichere Bleibe in den umliegenden Dörfern hätten. "Die Christen werden die Verlierer sein", sagt Sido. Werde Aleppo fallen, so müssten sie das Land verlassen, würden im schlimmsten Fall sogar getötet.

Sido ist selbst sunnitischer Muslim. Sein Wunsch für die Zukunft ist ein multikulturelles Aleppo. "Schön wäre es, wenn Sunniten einfach mal mit den armenischen Christen feiern könnten."