"Neue Vahr Süd" spielt 1980, zu einer Zeit also, in der viele der heute etablierten Redakteure, Autoren und Regisseure ihre Jugend verbracht haben; und viele Zuschauer erst recht. Diese biografische Betroffenheit und das Wiedersehen mit zeitgeistigen Modeerscheinungen machen einen beträchtlichen Reiz aus.
Vermutlich funktioniert der Film aber auch ohne persönliche Bezüge, denn der Grundkonflikt der Hauptfigur ist von gleichzeitig bedrückender wie erheiternder Zeitlosigkeit: Frank Lehmann, Hauptfigur von Regeners Lehmann-Trilogie, ist ein Antiheld, der sich am liebsten aus allem raushalten möchte. Gerade deshalb eckt er immer wieder an, zumal er ein höchst widersprüchliches Doppelleben führt: montags bis freitags reißt er seinen Wehrdienst ab, das Wochenende verbringt er mit seinen linken Freunden in der Bremer WG.
Eigentlich hätte er auch verweigert; er hat’s schlicht vergessen. Zielstrebig steuert die Handlung (Buch: Christian Zübert) auf den Tag zu, an dem sich Frank entscheiden muss: Im Mai findet im Bremer Weserstadion die erste öffentliche Rekrutenvereidigung statt. Tausende von Bundeswehrgegnern demonstrieren, es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen; und Frank Lehmann steht zwischen den Fronaten.
Von Nostalgie bis Wehmut
Auch wenn es nicht leicht fällt, in der Hauptfigur Christian Ulmen zu entdecken, der „Herrn Lehmann“ aus Regeners Romandebüt fürs Kino verkörpert hat: Frederick Lau ist eine großartige Besetzung für diesen leicht schluffigen Typen, dessen Haltung man wohlwollend als nachdenklich oder böswillig als schläfrig bezeichnen kann. Lau ragt aus einem nicht minder treffend besetzten jungen Ensemble heraus: Miriam Stein als Studentin, in die sich Frank verliebt; Rosalie Thomass, mit der er sich vorübergehend tröstet; und dann sind da noch in den Rollen der Mitbewohner Eike Weinreich, Robert Gwisdek und Johannes Klaußner. Unbedingt erwähnenswert sind auch Hinnerk Schönemann als realsatirisches Stereotyp des Feldwebels und Ulrich Matthes als leicht schräger Kompaniechef.
Aber das Beste an dem Film (Regie: Hermine Huntgeburth) ist die Rekonstruktion jener Jahre, für die ein ganzer Straßenzug regelrecht "zurückgebaut" wurde. Autos, Kleidung, Einrichtung: alles verströmt eine Authentizität, die je nach Temperament distanzierte Nostalgie oder Wehmut auslöst.