Samuel Koch: Ein ganz starker Mann

dpa/Robert Schlesinger
Samuel Koch mit seiner Schwester Rebecca und seinem Vater Christoph in Günther Jauchs ARD-Talkshow.
Samuel Koch: Ein ganz starker Mann
Samuel Koch sprang vor einem Jahr bei "Wetten, dass..?" über fahrende Autos. Einen Sprung schaffte er nicht. Er stürzte. Seitdem sitzt er im Rollstuhl, Diagnose: Querschnittlähmung. Er kann den Kopf noch bewegen, mehr aber nicht. Selbst die einfachsten Dinge muss jemand für ihn machen. Bei Günther Jauch traf er auch auf Nikolaus Schneider und erzählte von seinem Leben und seinem Glauben.
22.04.2012
evangelisch.de

Samuel Koch ist ein ganz starker Mann. "Man rollt einen Salto nicht ein, wenn man nicht schon über das Hindernis drüber ist", sagt er bei Günther Jauch. Das weiß er, weil er sich das Video von seinem Unfall bei "Wetten, dass..?" selbst angeschaut hat, um zu sehen, was er falsch gemacht hat, als er damit scheiterte, mit Sprungstelzen über ein fahrendes Auto zu springen. Ich kann mir das Video nicht anschauen, ich will diesen Unfall nicht wieder sehen. Dass Samuel Koch das selbst kann, finde ich beeindruckend.

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Der 24-jährige hat einen Unfall hinter sich, der sein Leben verändert hat. Der Einspielfilm, den Günther Jauch in seiner Sendung zeigt, belegt das – der Alltag ist kein Alltag mehr. Samuel Koch ist gelähmt und damit auf Hilfe angewiesen: Hilfe von seinen Eltern, seiner Schwester, seinem Bruder, Hilfe von Pflegepersonal.

Trotzdem hatte Samuel Glück. Er kannte das Risiko, er wusste, was er tat, und er nahm die Gefahr in Kauf: "Wer sonst sollte Schuld sein außer ich?", sagt er, ganz selbstbewusst. Er hatte Glück, weil er eine Familie hat, die ihn auffangen konnte, die ihm nach seinem Unfall zur Seite stand und weiter steht. Die Frage nach Schuld oder Verantwortung müssen sie nicht stellen: "Die Ursache liegt in uns", sagt Vater Christoph Koch. "Das ist ein müßiges Thema, bei dem man sich noch ständig um sich selbst drehen könnte", sagt sein Sohn. Die Familie ist, so erscheint es jedenfalls bei Jauch,  mit sich und mit der Situation im Reinen, auch wenn sie schwer ist.

"Platzangst im eigenen Körper"

Ein Jahr nach der Lähmung sitzt bei Jauch ein junger Mann im Rollstuhl, der wieder lachen kann. Er spricht noch etwas schleppend, aber er hat sein Leben neu geordnet, auch wenn es viel schwieriger geworden ist. Samuel kann selbst die einfachsten Dinge nicht mehr selbst. Ein anderer muss ihm die Zähne putzen – "da kann man mehr falsch machen, als ich jemals dachte". Das Publikum lacht. Samuel auch. Wenn man mit ihm telefoniert, "vergisst man manchmal, dass er querschnittsgelähmt ist", sagt seine kleine Schwester.

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Natürlich ist nicht alles gut in Samuels Leben. Der ehemalige Turner erzählt von "Platzangst im eigenen Körper", von innerer Unruhe, davon, dass er nur noch seinen rechten Bizeps hat, um nachts seinen Arm durch die Gegend zu schleudern, um Fliegen zu verscheuchen.

Dabei noch die Lebenslust zu bewahren, ist nicht einfach. Udo Reiter, ehemaliger MDR-Intendant, war etwa im gleichen Alter wie Samuel, als er bei einem Autounfall gelähmt wurde. Er erzählt bei Jauch, dass er nach seiner Lähmung plante, sich zu erschießen. Auch Samuel Koch hatte den Gedanken, nicht mehr weiterleben zu sollen, aber: "Die Hände kann ich nicht bewegen, also fällt die Smith&Wesson-Geschichte schon mal flach", witzelt er. Seine Pläne waren "sehr stark an diesen Körper geknüpft, der damals noch funktionierte", sagt er, und dann sagt er etwas, das vielen Menschen vielleicht den Lebenswillen geraubt hätte: "Im Himmel wäre es sicher schöner, als hier die Decke anzustarren und zu merken, wie einen der Staub langsam zudeckt."

Eine neue Seite von Gott kennengelernt

Aber Samuel verlor den Lebenswillen nicht. Auch wegen seines Glaubens. Für solche Fragen hat Jauch den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider eingeladen, der selbst einen Schicksalsschlag erlebt hat: Seine Tochter Meike starb mit 22 Jahren an Leukämie. "War der liebe Gott noch der liebe Gott, als ihre Tochter gestorben ist?" fragt Jauch Herrn Schneider. So etwas denke man nicht in einer solchen Situation, aber: "Da wo alles haltlos wird, wurden wir trotzdem gehalten."

Das war für Schneider die Gegenwart Gottes in dieser Situation – "aber 'lieb' würde ich das nicht nennen". Sein Verhältnis zu Gott habe einen Riss bekommen, bestätigt der EKD-Ratsvorsitzende: "Meikes Sterben war ein ganz massiver Bruch." Eine neue Erfahrung habe er gemacht. "Du sollst Gott fürchten und lieben", stehe im Katechismus, und das habe der Ratsvorsitzende vor dem Tod der Tochter noch nicht erfahren.

Auch für Samuel war der Schicksalsschlag eine neue Begegnung mit seinem Glauben. "Ich war schon stark verwirrt und bin es teilweise noch", sagt Samuel. Auch er kannte das Fürchten nicht. Mit einem Stoßgebet vor jedem Sprung bei "Wetten, dass..?" habe er die Verantwortung ein Stück weit abgegeben. Als Gott den Unfall zuließ, habe das seinen Glauben "zwar erschüttert, aber nicht gestürzt".

Schneider: "Gott ist Gott und der Mensch ist Mensch"

"Wenn man so am Ende ist, wird man gehalten und kann es deshalb überleben", berichtet Nikolaus Schneider: "Unser Glaube hat sich nicht verändert, aber unser Gottesbild." Eine Erfahrung, die auch Samuels Vater Christoph Koch bestätigt. "Unfälle passieren denen, die beten, und denen, die nicht beten." Ihm als gläubigen Christ sei klarer geworden, dass man nicht etwas von Gott erwarten kann, nur weil man regelmäßig betet.

Eine Strafe liegt darin nicht: "Wenn einer von sich sagen kann: So hat Gott mich geführt, das wollte er mir sagen, dann ist das für mich völlig okay", sagt Schneider. Aber von außen zu urteilen, jemand müsse etwas Schlimmes getan haben und deswegen sei ihm so etwas zugestoßen, das gehe gar nicht in Ordnung, erklärt der Ratsvorsitzende: "Gott ist unwissbar. Gott ist Gott und der Mensch ist Mensch, und das muss jeder für sich selbst entdecken". Dafür bekommt er Applaus vom Publikum.

Samuel: "Man kann auf jedem Niveau glücklich werden"

Am Ende der Sendung spricht Jauch mit seiner Gesprächsrunde noch über den Kinoerfolg "Ziemlich beste Freunde". Das ist "Gelähmtenkitsch", sagt Udo Reiter, so lustig sei der Alltag eines Gelähmten einfach nicht. Samuel Koch stimmt ihm prinzipiell zu, weil der Film die Schwierigkeiten des Alltags einfach mit einem Schnitt überspiele. Aber Samuel sagt auch: "Lachen macht mehr Spaß, als sich zu bemitleiden." Und auch der Vater Christoph bringt noch einmal zum Ausdruck, was der Film auch widerspiegelt: "Der unverkrampfte Umgang, der ist entscheidend."

Und das ist das starke, fast unglaubliche Beispiel, was Samuel Koch bei Günther Jauch zeigt: Im Glauben an Gott und im Verbund einer starken Familie lässt sich auch das Schlimmste im Leben überstehen. Unverkrampft und trotz aller Schwierigkeiten weiter mit Humor. "Man kann auf jedem Niveau klagen, und man kann auf jedem Niveau glücklich sein", schreibt Samuel Koch in seinem Buch, das am Montag erscheint. Das ist eine Botschaft, die es wert ist, immer wieder erzählt zu werden.