Die Anti-Aids-Pille: Segen oder Fluch?

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Auf dem Bild ist stark vergrößert ein sich ausbreitender HIV-Virus dargestellt. In den USA wurde gerade der Einsatz des Aids-Medikaments "Truvada" zur Aids-Prävention erlaubt.
Die Anti-Aids-Pille: Segen oder Fluch?
Erstmals können sich gesunde Menschen mit einer Pille vor Aids schützen. Doch Experten mahnen zur Vorsicht. Denn Nebenwirkungen und hohe Kosten sind nur einige der Nachteile.
27.07.2012
epd
Natalia Matter

Die einen nennen es einen Meilenstein in der Aids-Bekämpfung, die anderen warnen vor Sorglosigkeit und Risiken. In den USA hat die zuständige Behörde den Einsatz des Aids-Medikaments Truvada zur Prävention erlaubt. Studien zufolge senkt die regelmäßige Einnahme des Arzneimittels das Risiko einer HIV-Infektion um bis zu 75 Prozent.

Die Entscheidung läute eine neue Ära der Prävention ein, frohlockte der Vorsitzende der Aids-Stiftung in San Francisco, Neil Giuliano. Auch bei der Welt-Aids-Konferenz in Washington, die am Freitag zu Ende geht, sorgt die Zulassung für Diskussionen. Michel Sidibé, Chef der UN-Organisation UNAIDS, ist sicher: "Truvada wird helfen, die Ansteckungen zu reduzieren."

Prävention nur bei begrenzter Zielgruppe sinnvoll

Es ist das erste Mal, dass ein Medikament für die Vorbeugung von HIV-Infektionen bei gesunden Personen zugelassen wird. Dabei sind sich alle einig, dass präventive die Einnahme der Kombination aus Tenofovir und Emtricitabin nur bei einer begrenzten Gruppe von Menschen mit besonders hohem Ansteckungsrisiko sinnvoll ist. Dazu zählen Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben, Prostituierte und Menschen, deren Partner HIV-positiv ist, wie die US-Zulassungsstelle für Arzneimittel (FDA) erläuterte. Studien zeigten ein um 42 Prozent geringeres Infektionsrisiko bei schwulen Männern und bei Paaren mit unterschiedlichem Status gar um 75 Prozent.

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Den vorbeugenden Einsatz des Medikaments, das bereits seit 2004 in der Behandlung von HIV-Positiven und Aids-Kranken verwendet wird, hat die FDA an strenge Bedingungen geknüpft. Nur HIV-negativ getestete Menschen dürfen Truvada erhalten, und das unter ständiger ärztlicher Kontrolle. Dabei müssen sie regelmäßig eine Tablette am Tag nehmen und sich mindestens alle drei Monate testen lassen. Zudem sollen sie dazu angehalten werden, trotzdem Kondome zu benutzen.

Doch genau da sehen viele Experten das Problem. "Es gibt die Gefahr, dass die Leute denken: Hurra, wir müssen keine Kondome mehr nehmen", gibt Sonja Weinreich, Gesundheitsexpertin beim Evangelischen Entwicklungsdienst, zu bedenken. Zudem gehe die Einnahme von Truvada mit teils heftigen Nebenwirkungen einher.

Nach Weinreichs Einschätzung könnte das Mittel auch in Deutschland zur Prävention zugelassen werden. "Und wenn es in Europa eingesetzt wird, muss es auch für Entwicklungsländer zur Verfügung stehen.

Expertin: Die Therapie der HIV-Positiven sollte Priorität haben

Sie fragt sich zudem, ob diejenigen die Anti-Aids-Pille auch erhalten, die eine Vorbeugung dringend bräuchten, wie gesunde Frauen mit einem HIV-positiven und gewalttätigen Partner: "Schließlich bekommt die Hälfte der rund 15 Millionen HIV-Positiven weltweit, die eine Therapie bräuchten, keine Medikamente." Deren Leben zu retten müsse erste Priorität sein.

Dieser Meinung ist auch Oliver Moldenhauer, der für "Ärzte ohne Grenzen" an der Welt-Aids-Konferenz teilnimmt. Die Organisation versorgt derzeit mehr als 200.000 Patienten weltweit mit lebensverlängernden antiretroviralen Medikamenten. Denn auch die Therapie von HIV-positiven Menschen beuge neuen Infektionen vor - laut Studien mit Paaren, in denen einer das HI-Virus hat und der andere nicht.

Ein weiteres Problem ist, dass die Viren bei unregelmäßiger Einnahme resistent gegen den Wirkstoff werden können. "Wir brauchen mehr Erkenntnisse über Resistenzenbildung", sagt Moldenhauer. Denn die Gefahr bestehe, dass eines der besten Medikamente für die Therapie in einem solchen Fall wirkungslos sei. Grundsätzlich sei jedoch jedes Instrument zur Aids-Prävention zu begrüßen, sagt Moldenhauer.

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Die FDA hat den Hersteller Gilead dazu verpflichtet, die Viren derjenigen, die sich trotz der Einnahme von Truvada mit HIV infizieren, auf Resistenzen zu testen. Außerdem sollen Schwangere und Neugeborene kontrolliert werden, wenn die Frauen während der Truvada-Einnahme schwanger wurden.

Das Unternehmen will den Preis von bis zu 14.000 US-Dollar (rund 12.000 Euro) pro Jahr nicht senken. "Es ist viel teurer als Kondome, aber viel billiger als eine lebenslange HIV-Therapie", sagte Joel Gallant von der Johns-Hopkins-Universität laut US-Medien. "Bei Leuten, die kein Kondom nutzen wollen, aber bereit sind eine Tablette täglich zu nehmen, ist es günstig", sagte der Wissenschaftler, der an den Tests beteiligt war.