Karlsruhe: Asylbewerber müssen mehr Geld bekommen

Foto: epd-bild/Andrea Enderlein
Flüchtlinge leben hierzulande oft in Gemeinschaftsunterkünften. Ihren Lebensunterhalt bekommen sie vom Staat - aber reichen die Leistungen zum Leben?
Karlsruhe: Asylbewerber müssen mehr Geld bekommen
Die Sozialleistungen für Flüchtlinge müssen erhöht werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch in Karlsruhe entschieden. Demnach verstößt das 1993 eingeführte Asylbewerberleistungsgesetz gegen das Grundgesetz, weil die Leistungen unterhalb des Existenzminimums liegen. Die Grundleistungen für einen erwachsenen Flüchtling liegen mit 224 Euro monatlich um 40 Prozent unter dem Betrag, den Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger erhalten.

Die Höhe der Geldleistungen sei unzureichend, weil sie seit 1993 trotz erheblicher Preissteigerungen in Deutschland nicht verändert worden ist, urteilte das Gericht. "Zudem ist die Höhe der Geldleistungen weder nachvollziehbar berechnet worden, noch ist eine realitätsgerechte, am Bedarf orientierte und insofern aktuell existenzsichernde Berechnung ersichtlich", heißt es in dem Urteil.

Die beiden Kläger, ein kurdischer Flüchtling aus dem Irak und ein heute elfjähriges, aus Liberia stammendes Mädchen, waren vor Gericht gegangen, weil die Hilfeleistungen "evident unzureichend" seien und ihr lebensnotwendiger Bedarf nicht nachvollziehbar ermittelt worden sei. Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen fordern seit Jahren, das Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen.

Der Gesetzgeber ist der Entscheidung zufolge verpflichtet, eine "Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums" für Flüchtlinge und Asylbewerber zu treffen. Bis dahin müssten Leistungen in Höhe der Hartz-IV-Sätze gezahlt werden, und zwar rückwirkend ab dem 1. Januar 2011.

"Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter Klasse"

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. "Das Gericht beendet ein jahrelanges Unrecht", sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt: "Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter Klasse." Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte: "Seit langem war offensichtlich, dass die bisher gewährten Leistungen für ein menschenwürdiges Leben nicht ausreichen."

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Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde 1993 als Sondergesetz für Flüchtlinge geschaffen. Seitdem ist es Angriffspunkt von Sozialverbänden und Flüchtlingsinitiativen Hauptgrund beharrlicher Kritik ist, dass den Betroffenen nach wie vor weit geringere Leistungen zustehen als etwa Empfängern von Hartz IV. Erschwerend kommt hinzu, dass die Grundleistungen seit Einführung des Gesetzes vor über 18 Jahren nicht angepasst wurden.

Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsräte trommeln seit Jahren dafür, das Gesetz abzuschaffen. Aus ihrer Sicht werden Flüchtlinge stigmatisiert und entrechtet. Asylbewerber müssten bei der Garantie des menschenwürdigen Existenzminimums endlich gleichgestellt werden, fordert etwa Pro Asyl. "Es muss ein für alle Mal klargestellt werden, dass die Menschenwürde kein Deutschen-Recht ist, sondern für alle gilt", sagt Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Man ging von vorübergehendem Aufenthalt aus

Ziel des Gesetzes der Regierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) war es, einen Mindestunterhalt während des Asylverfahrens gesetzlich eigenständig zu regeln. Bestehende Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz wurden deutlich gekürzt und ein Vorrang von Sach- vor Geldleistungen festgelegt. "Man ging von einem in aller Regel nur vorübergehenden Aufenthalt dieser Menschen in Deutschland aus, weshalb die abgesenkten Leistungen als zumutbar angesehen wurden", erläutert der Deutsche Caritasverband.

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Unter das Gesetz fallen Asylbewerber während der gesamten Dauer ihres Verfahrens, Ausreisepflichtige (wie etwa Inhaber von Duldungen) und andere Ausländer, die sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten dürfen. Das Gesetz soll Flüchtlingen den Grundbedarf des täglichen Lebens sichern, der meist als Sachleistung gewährt wird. Die Hilfen reichen von der Ernährung über Unterkunft und Kleidung bis hin zur eingeschränkten medizinischen Versorgung.

Neu an Fahrt gewonnen hat die Debatte über die Zukunft des Asylbewerberleistungsgesetzes durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2010 zu den Regelleistungen bei Hartz IV. Karlsruhe legte in seinem Urteil ein Grundrecht auf menschenwürdige Behandlung fest. Diesen Anspruch haben nicht nur Deutsche, sondern alle Menschen hierzulande, also auch Flüchtlinge. Unterschiedliche Leistungen für die Existenzsicherung waren vor diesem Hintergrund schwer zu begründen.