Dieser Film ist schon allein deshalb sympathisch, weil kein einziges Mal der Begriff "Profiler" fällt. Genau das aber ist unter anderem die Aufgabe des Kriminalpsychologen Martin Bach: Er erstellt Täterprofile. In diesem Fall weiß er relativ rasch: Der Mörder muss dreißig bis vierzig Jahre alt und ein Einheimischer sein. Diese Erkenntnis kostet ihn vier Autoreifen: In dem Dorf, unter dessen Bewohnern Bach einen mehrfachen Frauenmörder vermutet, geht man davon aus, dass der gesuchte Serientäter längst hinter Gittern sitzt.
Der versuchte Freitod
"Der Mörder ist unter uns" ist ein raffinierter Krimi: kein Blut, keine plakativ ausgestellten Morde, keine Schießerei; und trotzdem packend. Selbst die Tatsache, dass dem versierten Publikum schon früh klar sein müsste, wer der Mörder ist, tut der Spannung keinen Abbruch. Das liegt an einem offenbar guten Drehbuch (Holger Karsten Schmidt), einer sorgfältigen Inszenierung (Markus Imboden), die sich völlig der Geschichte unterordnet, sowie einer Bildgestaltung (Rudolf Blahacek), die die Handlung stets auf ihren Kern reduziert. Vor allem aber ist es wieder mal ein Genuss, Christoph Waltz bei der Arbeit zuzuschauen.
Ins Rollen gebracht wird der Fall durch einen versuchten Freitod: Im Gefängnis will sich ein Mann das Leben nehmen, der vor neun Jahren für den Mord an einer jungen Frau verurteilt wurde. In seinem Abschiedsbrief beteuert er erneut seine Unschuld. Und weil während seiner Haftzeit in der Nähe des Ortes eine weitere Mädchenleiche gefunden wurde, kommt eine Staatsanwältin ins Grübeln. Gegenentwurf zum Psychologen ist Kommissar Lorenz, von Hermann Lause als Prototyp des humorlos verkniffenen Norddeutschen gespielt, der mit seiner Leichenbittermiene die Dorfgemeinschaft repräsentiert: Keiner will wahrhaben, dass der wahre Mörder immer noch auf freiem Fuß ist; Lorenz erst recht nicht, als der Kreis der Verdächtigen immer kleiner wird und sich schließlich auf seinen Schwiegersohn (Frank Giering) und dessen Bruder Thomas Schmauser) reduziert.
Für die feindselige Stimmung findet Blahacek die richtigen Bilder, die dem Film erst Recht den Charakter einer Fallstudie verleihen. Dem Holsteiner an sich wird das nicht gefallen: Blahaceks pathologisches Licht betont jeden Tränensack, jeden Bartstoppel; mitunter wirken die Dorfbewohner, als seien sie schon längst tot und hätten es bloß noch nicht gemerkt.