Gott liebt die Kaffeepause

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Auch beim Kaffeetrinken kann Kirche sein.
Gott liebt die Kaffeepause
Ob traditionelles Kaffeehaus oder moderner Coffee-Shop: Immer mehr Deutsche trinken ihren Kaffee außerhalb der eigenen vier Wände. Ein Trend, den auch die Kirchen für sich entdecken, indem sie Cafés eröffnen.
19.04.2012
epd
Christine Süß-Demuth

Es duftet nach frisch gemahlenem Kaffee und Espresso. An den Tischen lassen sich die Gäste Erdbeerkuchen und Sahnetorte schmecken. Die Atmosphäre ist entspannt. Auf den ersten Blick könnte es ein ganz gewöhnliches Café sein. Doch eines unterscheidet die Mitarbeiterinnen von anderen Bedienungen: Sie sind ehrenamtlich tätig und überzeugt davon, dass Gott die Kaffeepause liebt - besonders wenn Menschen dadurch einander näherkommen.

Rund 30 Ehrenamtliche der evangelischen Kirchengemeinde im Karlsruher Stadtteil Hagsfeld laden vier Mal wöchentlich in das Laurentius-Café ein. Samstags und sonntags kommen etwa 100 Gäste, die drinnen oder unter freiem Himmel Latte Macchiato genießen. Dienstags und mittwochs sind es etwas weniger.

Weniger Cafés im Süden

Cafés boomen in Deutschland. Schätzungen zufolge besuchen etwa 15 Millionen Deutsche täglich ein Kaffeehaus. Auch immer mehr Gemeinden entdecken dies als Möglichkeit kirchlicher Arbeit. Mit einer herzlichen, aber dennoch zwanglosen Atmosphäre schaffen Cafés "große Chancen für eine unaufdringliche Begegnung", sagt Dirk Möller vom Amt für Missionarische Dienste der Evangelischen Kirche in Deutschland in Berlin. Christliche Cafés sollten "Erlebnisräume des Glaubens" sein.

Möller ist zuständig für das Netzwerk christlicher Cafés, zu dem fast 100 Kaffeehäuser bundesweit gehören. Sie seien aus der kirchlichen Arbeit nicht mehr wegzudenken, sagt er. Ziel sei es, mit einem niedrigschwelligen Angebot Menschen zu erreichen.

Dafür sieht Möller großen Bedarf. Etliche Gemeinden würden sich jedoch schwer tun, Neues zu wagen. Auffällig sei ein großes Nord-Süd-Gefälle. Während im Norden die Cafés weit verbreitet sind, seien die Angebote in Baden-Württemberg und Bayern seltener. Welche Gründe dies haben könnte, weiß Möller nicht.

Rauch-, Alkohol- und Barrierefrei

Die Gäste im "Kirchencafé" der St. Jacobi Kirche in der Hamburger Innenstadt sind nicht nur Einheimische, sondern auch Touristen - sogar aus Dänemark oder England. Das Hagsfelder Kaffeehaus besuchen hingegen Menschen aus der Umgebung, vor allem Alleinstehende und ältere Menschen, sagt Leiterin Sabine Kastner.

Viele Besucher kommen vor allem, um sich auszutauschen: "Hier kann ich auch mal über meine Sorgen reden und es hört mir jemand zu", sagt eine ältere Dame in Hagsfeld. Zudem locken die günstigen Preise ins kirchliche Café, in dem seit 2008 fair gehandelte Kaffee-Spezialitäten, kalte Getränke, Kuchen und Torten zum Selbstkostenpreis angeboten werden.

Es soll ein kinder- und familienfreundlicher Treffpunkt sein: rauchfrei, alkoholfrei und barrierefrei. Gewinn wird nicht erwirtschaftet. Selbst das Trinkgeld wird gespendet, sagt Kastner. Mittlerweile haben sich richtige "Stammtische" gebildet, an denen Kaffeekränzchen abgehalten werden. Außerdem können die Räume auch für Familienfeste wie Taufe oder Konfirmation, Geburtstags- oder Trauerfeiern genutzt werden.

Jeder dritte Besucher kirchenfern

Im Mittelpunkt der Kirchencafés stehe vor allem die Gastfreundschaft, sagt Dirk Möller. Dies schaffe Raum für Begegnungen untereinander und mit Gott. "Kirche am anderen Ort" sollten die christlichen Kaffeehäuser sein. "Man spürt, dass man willkommen ist," beschreibt ein älterer Herr die Atmosphäre im Karlsruher Laurentius-Café.

Im Kirchencafé der St. Jacobi Kirche in Hamburg gibt es neben verschiedenen Kaffeespezialitäten "freundliche Menschen und auch mal Überraschendes", wie es heißt, etwa kleine Mutmach-Zettel zum Mitnehmen. "Wir wollen den Menschen ein gutes Gefühl mit Kirche vermitteln", sagt Diakon Mark Möller vom Kirchencafé-Team, das aus evangelischen und katholischen sowie einer jüdischen Ehrenamtlichen besteht. 

Bei einem Café Latte oder einem Kakao rede es sich manchmal leichter und ungezwungener als in einer Beratungseinrichtung. Jeder dritte der etwa 60 Besucher täglich sei kirchenfern, schätzt Mark Möller. Vor einem Plakat, das zu einem offenen Bibelgespräch einmal im Monat einlädt, bleiben besonders viele Passanten stehen. Der Titel: "Cappuccino mit Gott".