Die Reformierten und die Reformation

Foto: epd-bild/Norbert Neetz
Peter Bukowski, Moderator des Reformierten Bundes, bei der Tagung der EKD-Synode in Timmendorfer Strand.
Die Reformierten und die Reformation
Luthers Thesenanschlag von 1517 markiert den Beginn der Reformation. Die Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag werfen ihre Schatten voraus. Die Lutheraner freuen sich darauf – was ist mit den Reformierten?
07.11.2012
evangelisch.de

Intensiv hat sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei ihrer Tagung in Timmendorfer Strand, die am Mittwoch zu Ende geht, mit dem bevorstehenden Reformationsjubiläum befasst. Das Jahr 2017 stand im Mittelpunkt einer mehrstündigen, ausführlichen Debatte. Dass dabei das 2013 anstehende 450-jährige Gedenken an den Heidelberger Katechismus, die Grundschrift der reformierten Christenheit, kaum erwähnt wurde, beunruhigt Peter Bukowski nicht. "Nein, das hat mich nicht nachdenklich gemacht. Wir fühlen uns in der Reformationsdekade genauso gut verankert wie im Calvinjahr 2009."

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Bukowski ist Moderator, sprich: Vorsitzender des Reformierten Bundes in Deutschland und damit erster Mann der reformierten Christen im Land. Luther, sagt der 62-jährige Leiter des Seminars für pastorale Aus- und Fortbildung am Theologischen Zentrum Wuppertal, sei einer der wichtigsten Initiatoren der Reformation. Doch Reformation sei "mehr als nur Luther". Deshalb begrüßt es Bukowski, dass in der Kundgebung der EKD-Synode auch andere Reformatoren einbezogen seien – und die europäische und weltweite Dimension von 2017.

Zwei Millionen der knapp 24 Millionen evangelischer Christen in Deutschland fühlen sich heute der reformierten Gemeinschaft zugehörig. Sie gehören zur Evangelisch-Reformierten Kirche, zu der Gemeinden im Oldenburger Land, in der Grafschaft Bentheim und in Bayern zählen. Die Lippische Landeskirche ist ganz überwiegend reformiert geprägt. Mitglieder im Reformierten Bund, den Bukowski leitet, sind zudem die Altreformierte Kirche, eine Freikirche, sowie der Bund freier reformierter Kirchen, ein Zusammenschluss mehrerer Gemeinden in Hamburg, Dresden und Niedersachsen.

Realpräsenz oder Erinnerungsmahl?

Was sind die theologischen Unterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten? "Die klassischen Streitigkeiten sind seit der Leuenberger Konkordie von 1973 nicht mehr prägend", sagt Bukowski. Aber die Differenzen bestehen nach wie vor, etwa in der Auffassung des Abendmahls: Während Luthers Anhänger an die reale Präsenz Christi in Brot und Wein glauben, gibt es bei den Reformierten unterschiedliche Positionen. Die Gemeinden und Presbyterien haben in der reformierten Tradition eine stärkere Stellung als im Luthertum, und in den reformierten Gotteshäusern gibt es oft kahle Wände: "Das einzige schmuckstück in der reformierten Kirche ist das Wort Gottes", erläutert Bukowski.

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Reformierte Christen berufen sich vor allem auf den Züricher Ulrich Zwingli (1484-1531) und den Genfer Johannes Calvin (1509-1564). Die Schweiz und die Niederlande sind noch heute ihre Hochburgen – fühlen sie sich fremd in Deutschland, dem Mutterland der Reformation? Nein, sagt Peter Bukowski. "Wir sind zwar in der Minderheit, aber in der UEK gut aufgehoben." Die Union Evangelischer Kirchen (UEK) ist der Zusammenschluss unierter Kirchen innerhalb der EKD – in den 13 unierten Landeskirchen sind lutherische und reformierte Christen verbunden.

"Wir sind nicht in einer Jammer- oder Opferecke", betont der Chef des Reformierten Bundes. Er verweist auf die Kirchenordnungen im Rheinland und in Westfalen, die ausgesprochen presbyterial verfasst seien. In der EKD gebe es einen common sense, dass die Reformierten eine "gute konfessionelle Farbe" seien. Bukowski verweist auf die Unterstützung des Calvinjahres 2009 und für die Johannes-a-Lasco-Bibliothek in Emden. Johannes a Lasco (1499-1560), aus Polen stammend und heute nur noch Fachleuten bekannt, war einer der führenden reformierten Theologen des 16. Jahrhunderts.

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Calvins Wirkungsort Genf ist heute eines der wichtigsten Zentren der ökumenischen Gemeinschaft – Bukowski steht dennoch hinter der Entscheidung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, ihren Sitz von dort nach Hannover zu verlegen. Im Zeitalter weltweiter Vernetzung habe sich die Frage der räumlichen Präsenz relativiert, sagt Bukowski, der gleichwohl Verständnis für die Kritik an dem Umzug hat. "Wir gehen nicht weg, weil wir denken, Hannover sei besser. Genf war einfach finanziell nicht mehr zu stemmen." Die Stärke des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro ist zum Standortnachteil geworden.

Gespannt blickt der Chef der reformierten Christen in Deutschland auch auf das soeben begonnene Themenjahr "Reformation und Toleranz" auf dem Weg zum Jubiläum 2017. "Wir teilen die nüchterne Sicht darauf", betont Bukowski, "dass das Zeitalter der Reformation nach heutigen Maßstäben kein tolerantes Zeitalter war." Die Verfehlungen seien aber gut aufgearbeitet. Uneingeschränkt freut sich der 62-Jährige auf die Feiern um den Heidelberger Katechismus im kommenden Jahr: "Das Spektrum geht von wissenschaftlicher Aufarbeitung über die Erwachsenenbildung bis zu einem Heidelberger Rap." Nicht zuletzt wird der Reformierte Bund seine Hauptversammlung 2013 in der pfälzischen Stadt abhalten.