Filmkritik der Woche: "Argo"

Foto: Warner Bros./Claire Folger
Hochkarätige Besetzung: John Goodman (r.) gemeinsam mit Regisseur und Hauptdarsteller Ben Affleck (l.) in "Argo".
Filmkritik der Woche: "Argo"
Filmreife Rettungsaktion: Da hat mal was geklappt bei der CIA. Während der Teheraner Geiselkrise 1980 gelang es dem US-Geheimdienst, sechs Diplomaten aus dem Iran zu schmuggeln. In seinem packenden Thriller "Argo" erzählt Ben Affleck die Geschichte nach.
07.11.2012
epd
Barbara Schweizerhof

Es klingt nach einem irren Aufhänger für einen schlechten Film: Sechs US-Amerikaner, verkleidet als Team einer Science-Fiction-Fantasyproduktion, werden von der CIA während der Geiselkrise 1980 aus dem Iran geschmuggelt. Zur guten Idee fürs Kino wird diese Geschichte nur, weil sie wahr ist. Und trotzdem brauchte es noch über 30 Jahre, bis sie verfilmt wurde. Ben Affleck hat sich jetzt in "Argo" des Stoffes angenommen.

Für die ersten 17 Jahre dieser Wartezeit ist allerdings der CIA selbst verantwortlich - die Story unterlag der Geheimhaltung. Seinerzeit, im Januar 1980, wurde zwar bekannt, dass sechs Amerikanern die Flucht aus Teheran gelungen war. Sie hatten es im Getümmel der Botschaftserstürmung auf die Straße geschafft, um anschließend in der kanadischen Botschaft Unterschlupf zu finden.

Den Applaus zur Rettungsaktion heimsten damals aber zur Gänze die Kanadier ein. Die Rolle des CIA wurde verschwiegen, weil man negative Auswirkungen auf die Geiseln in der US-Botschaft fürchtete. Es muss für die Beteiligten hart gewesen sein, ist es doch eine der raren Geschichten einer "Einmischung" auf fremdem Terrain, in der die CIA gut aussieht.

Umso mehr kann man es den Machern von "Argo" anrechnen, dass ihr Film mit der Nennung eines unrühmlichen CIA-Einsatzes einsetzt: dem 1953 gemeinsam mit dem britischen MI6 orchestrierten Sturz des demokratisch gewählten iranischen Präsidenten Mohammad Mossadegh. Dieses Ereignis ist ein wichtiges Glied in der Kette von verhängnisvollen Vorgängen, die das amerikanisch-iranische Verhältnis vergifteten und mittelbar zu der Geiselkrise führten, bei der das Teheraner Regime mehr als 50 US-Diplomaten 444 Tage lang festhielt. 

Aber keine Sorge, "Argo" ist kein kompliziertes Geheimdienstentlarvungsdrama. Kaum ist die Handlung des Films bei den sechs Figuren in Teheran angekommen, die dank Geistesgegenwart und glücklicher Umstände dem Geiselschicksal entgingen, spielen Zeitgeschichte und amerikanische Außenpolitik keine tragende Rolle mehr.

Die perfekte Deckung

"Argo" erweist sich im Kern vor allem als packender Thriller, der ohne Mätzchen und Spezialeffekte die Geschichte einer unwahrscheinlichen Rettung erzählt. Das wird spätestens dann klar, als der von Ben Affleck selbst gespielte eigentliche Held der Geschichte auftritt, CIA-Agent Tony Mendez. Dieser wird in Washington auf den Plan gerufen, als das Schicksal der sechs zu den Kanadiern Geflüchteten bekannt wird. Wie soll man sie unbemerkt außer Landes bringen? Mendez kommt die rettende Idee: Warum nicht als Filmcrew? Wem sonst als dem Hollywoodvölkchen würde man die Ignoranz abnehmen, in einem von einer Revolution geschüttelten Land nach Drehorten zu suchen?

In der Traumfabrik gewinnt Mendez einen von John Goodman gespielten Maskenbildner für das Projekt, der eiligst zusammen mit dem von Alan Arkin verkörperten Produzenten die Firma "Studio Six Films" gründet. Vom Drehbuch über Setentwürfe bis zu Visitenkarten und Büroräumen muss die "Deckung" perfekt sein.

Goodman und Arkin haben ersichtlichen Spaß daran, zwei Hollywoodoldtimer zu verkörpern, die ihrerseits mit viel Lust nicht nur Teheran, sondern auch die eigene Branche hinters Licht führen. Im letzten Drittel schließlich wird "Argo" zum reinen Thriller: Mendez reist nach Teheran, um binnen weniger Tage den sechs Flüchtlingen ihre Rollen zu erklären und sie zum Flughafen zu bringen.

Nein, nicht alles in "Argo" entspricht dem historischen Verlauf. Die meisten Verzerrungen - wie die dramatischen Zuspitzungen am Flughafen - sind unschwer als Verfahren zur Spannungssteigerung zu erkennen. Bei der Premiere in Toronto wurde außerdem kritisiert, dass der Film den Anteil der Kanadier an der Rettungsaktion zu sehr herunterspiele. Aber das ist alles Geplänkel angesichts der Wirkung, die der Film auf den Zuschauer hat: Er hinterlässt ihn mit jenem köstlichen Empfinden, das viele in dieser Unzweideutigkeit vielleicht zuletzt als Jugendliche nach einem John-Wayne-Western erlebt haben: jenes gute und einverstandene Gefühl, wenn am Ende die Richtigen gesiegt haben.

USA 2012. Regie: Ben Affleck. Buch: Chris Terrio. Mit: Ben Affleck, Bryan Cranston, Alan Arkin, John Goodman. Länge: 120 Minuten. FSK: ab 12 Jahre.