Datenjournalismus: Mit Zahlen und Daten Brisantes enthüllen

Foto: photocase / lama-photography
Datenjournalismus: Mit Zahlen und Daten Brisantes enthüllen
Virtuell angebotene Datenbänke bieten Journalisten eine Vielzahl von neuen Geschichten. Damit wird dieser Bereich in der Berichterstattung immer interessanter. Doch der richtige Umgang mit den Zahlrenströmen ist nicht immer leicht. Hife und Tipps bietet dafür zum Beispiel das gerade erschienene "Handbuch des Datenjournalimus".

Zahlen versprechen Präzision und Unvoreingenommenheit. Schon 1970 erschien mit "Precision Journalism" eines der ersten Handbücher, die Journalisten eine sozialwissenschaftliche Herangehensweise empfahl, um tiefer gehende, genauere Geschichten zu erzählen. "News & Numbers" versuchte 1988 den Journalisten den Wert von  Statistiken näher zu bringen. Heute stehen Journalisten nicht mehr nur Statistiken, sondern dank des Internet ganze Datenbanken, ja ständig aktualisierte Zahlenströme zur Verfügung, um Geschichten zu finden und zu erzählen.

Datenjournalismus heißt das neue journalistische Genre, das sich derzeit auf diese Weise herausbildet. Für die BBC-Journalisten Bella Hurrell und Andrew Leidorfer geht es beim Datenjournalismus darum, dass Leser "die Informationen entdecken können, die für sie persönlich relevant" sind. Außerdem soll mit den Daten "eine bislang unbekannte, aber bemerkenswerte Geschichte enthüllt" werden. Letztlich sollen Leser so komplexe Zusammenhänge und Themen besser verstehen können. In einem neuen, online auch kostenlos verfügbaren "Handbuch des Datenjournalismus" schildern nun europäische, amerikanische und australische Journalisten und Open-Data-Aktivisten zahlreiche Fallbeispiele und Tipps.

Autor:in
Keine Autoren gefunden

Wendy Carlisle vom staatlichen Fernsehsender ABC (Australian Broadcasting Corporation erzählt etwa, wie sie 2010 dort das erste Datenjournalismus-Projekt anschob. Hilfreich war, dass die australische Regierung sich damals - wie auch die britische und US-amerikanische - unter dem Schlagwort "Government 2.0" daran machte, Zahlen und Statistiken aus den verschiedensten Bereichen und Ministerien zu veröffentlichen. Das ABC-Projekt "Coal Seam Gas by Numbers" war das erste seiner Art und griff ein mit der Kohlegas-Förderung ein in Australien brisantes Thema auf. Brisant deswegen, weil die Förderung auch Grundwasser und Flüsse gefährdet. Die Datenvisualisierungen griffen dies mit verschiedenen Szenarien auf. Die Zahlen stammten aus Regierungsquellen sowie verschiedenen Studien.

Das Internet bietet massenhaft Informationen

Paul Radu vom "Organized Crime and Corruption Reporting Project" beschreibt hingegen wie in einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit speziell Praktiken des organisierten Verbrechens sowie Korruption aufgedeckt werden können. Online stünden dazu bereits massenhaft Daten zur Verfügung, meint Radu.

Das "Investigative Dashboard" etwa ermöglicht es Journalisten, Geldströmen über die Grenzen hinweg zu folgen. Die aserbeidschanische Journalistin Chadischa Ismajilowa beispielsweise konnte mit Hilfe eines dort veröffentlichten Tools herausfinden, dass die Eigentümer mehrerer Firmen in Panama der Familie des aserbeidschanischen Präsidenten angehörten. Diesen Firmen gehörte das Telekommunikationsunternehmen Azerfon, das als einziges in Aserbeidschan 3G-Dienste anbietet. 

Das von dem Programmierer und Aktivisten Dan O’Huiginn entwickelte Tool hilft allen Journalisten weiter, die den wirtschaftlichen Umtrieben des Offshore-Landes Panama auf die Spur kommen wollen. Er "scrapte" nämlich die Daten des Unternehmensregisters in Panama, das bis dahin nur eine Suche nach bereits bekannten Firmennamen erlaubte, und sorgte dafür, dass sich die Daten flexibel durchsuchen lassen. Über das ScraperWiki können Journalisten übrigens mit Programmieren in Kontakt treten, wenn sie Daten von weiteren Websites "scrapen" wollen, das heißt automatisch und maschinenlesbar auslesen wollen.

Daten sind kein Ersatz für journalistische Arbeit

Gemeinsam ist allen Geschichten, dass Menschen aus ganz verschiedenen Bereichen zusammenkommen: Junge Journalisten und erfahrene Journalisten arbeiten Seite an Seite mit Programmierern, Web-Entwicklern und Designern. Sie alle verstehen sich als Hacker, die aus einem Datensatz das Beste herausholen wollen. Weil viele Journalisten persönlich niemanden kennen, der Spaß daran hätte, Datensätze für ein bescheidenes Honorar zu hacken, haben Lucy Chambers von der Open Knowledge Foundation und Brian Boyer von der Chicago Tribune ein paar Tipps zusammengestellt, wie man am ehesten an solche programmierende Perlen herankommt. Zum einen finden sie sich nicht selten in der Umgebung von Open-Government- und Open-Data-Gruppierungen, zum anderen gibt es immer mehr junge Journalisten, die am Programmieren interessiert sind. Wichtig bleibe jedoch immer auch jemand, so Boyer, der Programmierer wie Schreiber dann schließlich dazu bringt, alles zu einem bestimmten Termin fertig zu haben.

Zahlen und Daten sind jedoch keine Garantie für guten Journalismus, warnte jetzt Jonathan Gray im berühmten Data Blog der britischen Tageszeitung "The Guardian". Vor allem die Interpretation von Daten sei alles andere als einfach: "Guten Datenjournalismus zu machen oder eine gute Data-App hat oft mehr mit Kunst als mit Wissenschaft zu tun", meint Gray. Wie beim Fotografieren sei eine gute Auswahl und Filtern genauso wichtig wie die Wahl eines guten Ausschnitts, einer Komposition sowie die Betonung auf eine bestimmte Botschaft. Die Quellen müssten dazu gebracht werden, die Wahrheit zu zeigen – und die Wahrheit läge nie einfach auf der Hand.