Selbst Ordensmitglieder werden heutzutage vermutlich keine Vorstellung mehr davon haben, was sich hinter dem Begriff "Hoffart" verbirgt. Aus klerikaler Sicht aber muss diese Form von Hochmut so etwas wie eine achte Todsünde gewesen sein. Wie leicht man andererseits als Nonne dem Vorwurf ausgesetzt war, hoffärtig zu sein, zeigt dieses spannende Porträt einer Schwester, die Großes geleistet hat und doch beinahe an der Kleinmütigkeit ihrer Ordenskolleginnen gescheitert wäre. Es ist vor allem die Kombination von Menschlichkeit und Historie, die den Zweiteiler "Gottes mächtige Dienerin" auszeichnet: Ohne die Zeitgeschichte je als schlichte Folie für ein Emotionsdrama zu missbrauchen, erzählt das Autorentrio Marcus O. Rosenmüller (auch Regie), Henriette Piper und Gabriele Scheidt aus dem Leben von Pascalina Lehnert, die es von der bayerischen Bauerntochter bis zur Ratgeberin von Papst Pius XII. brachte.
Pascalinas Weg in den inneren Zirkel
Die ebenso vielgeschmähte wie in Fernsehfilmen omnipräsente Christine Neubauer ist eine treffende Besetzung für diese Rolle; sieht man mal davon ab, dass die junge Josefine nach einem Zeitsprung plötzlich wie die Mutter ihrer älteren Geschwister aussieht, weil Neubauer auch die gut zwanzigjährige Novizin spielt. Der rustikale Charme der Schauspielerin aber passt prima zu der resoluten jungen Frau, die sich durch das eifersüchtige Mobbing ihrer Mitschwestern nur kurzzeitig beirren lässt. Pascalina ist genau die richtige, um Eugenio Pacelli (Remo Girone), dem apostolischen Gesandten in München, den Haushalt zu führen. Rasch stellt der Nuntius fest, dass die pragmatische Schwester auch ein kluger Kopf ist. Sie wird zu seiner Sekretärin, die sogar die Texte redigiert. Als Pacelli zum Kardinalstaatsekretär befördert wird, gelingt der zielstrebigen Pascalina der Einzug in den inneren Zirkel des naturgemäß von Männern dominierten Vatikans; selbst Pius XI. ist von der Nonne beeindruckt. 1939 stirbt der Papst, Pascalinas Chef wird sein Nachfolger. Deutschland hat Europa mit einem Krieg überzogen; eine deutsche Ratgeberin wäre mehr als unschicklich. Aber Pascalina lässt sich nicht beirren, und als die Nationalsozialisten 1943 vor den Augen des Papstes damit beginnen, die Juden zu deportieren, muss Pacelli einsehen, dass er auch als Pius XII. nicht auf seine Ratgeberin verzichten kann.
Selbst wenn das Drehbuch im zweiten Teil nahe legt, Pascalina habe die römischen Juden quasi im Alleingang gerettet: "Gottes mächtige Dienerin" ist auch über die Länge von 180 Minuten ein fesselnder Film, der nie im Sentiment ertrinkt und religiösen Kitsch konsequent vermeidet. Im Gegenteil: Gerade die Vorgänge im Orden vom Heiligen Kreuz muten höchst mittelalterlich und weltfremd an.
Auf der anderen Seite hat die Geschichte natürlich einen höchst heutigen Kern. Hier eine argwöhnisch beobachtete Frau, dort eine von Traditionen geprägte Männergesellschaft: Das ist auch im 21. Jahrhundert ein aktuelles Thema. Die moderne Anmutung dürfte vor allem das Verdienst von Spannungsspezialist Marcus O. Rosenmüller sein. Die ARD wiederholt beide Teile am Stück.