"Pilgern muss weh tun, sonst hilft es nicht": Das darf man durchaus als Drohung verstehen. Vor allem aber führen Pilgerreisen in der Regel nicht zu Gott, sondern zu sich selbst. Und die Wahrheiten, die man auf diese Weise tief in sich drin entdeckt, sind selten angenehm; erst recht, wenn man sie aus zweiter Hand erfährt. Der gemeinsame Ausflug der vier Freundinnen, die sich selbst "Die Dienstagsfrauen" nennen, weil sie sich an jedem ersten Dientag im Monat in einem Restaurant treffen, birgt also allerlei Brisanz; von den körperlichen Strapazen ganz zu schweigen.
Ein Tagebuch als Wegweiser
Monika Peetz’ Roman über diese vier völlig unterschiedlichen Frauen war ein Überraschungsbestseller. Sie selbst hat das Buch für die Verfilmung adaptiert. Die Charaktere der Protagonistinnen sind nun naturgemäß etwas zugespitzter, aber Peetz ist ihnen treu geblieben. Für den Kern der Geschichte gilt das ohnehin: Nach dem frühen Tod ihres Mannes Arne, der seinen Urlaub regelmäßig auf dem französischen Teil des Jakobswegs verbracht hat, will Judith (Inka Friedrich) an seiner Stelle nach Lourdes pilgern. Sein Tagebuch soll ihr als Wegweiser dienen. Kurzerhand beschließen ihre Freundinnen, sie zu begleiten; allein die verhuschte Eva (Saskia Vester) kann sich kaum von ihrer Familie trennen. Aber die resolute Caroline (Ulrike Kriener) sieht ihren Mann ohnehin kaum noch, und Frohnatur Estelle (Nina Hoger) ist sowieso für jede Spontanaktion zu haben. Das Quartett einigt sich darauf, dass jede Frau ihr individuelles Tempo gehen kann. Während sich Judith sklavisch an Arnes Notizen hält, hat Caro bald das Gefühl, dass die Wegbeschreibungen des Tagebuchs in die Irre führen. Tatsächlich entdeckt Estelle, dass Arne seine Aufzeichnungen aus dem Internet abgeschrieben hat. Die Erwähnung des Namens Dominique deutet zudem darauf hin, dass es bei den Frankreichreisen offenbar weit weniger um Erleuchtung ging, als Judith lieb sein kann.
Die Lösung dieses Rätsels ist bei Weitem nicht die einzige Überraschung der Geschichte. Auch Caro muss eine ziemlich unangenehme Wahrheit verkraften. Dafür lernt Eva endlich, sich von ihrer Familie zu emanzipieren. Und Estelle beweist, dass man trotz des Bekenntnisses zur Oberflächlichkeit ein großes Herz haben kann. Auch der Film ist weitaus mehr als bloßer Zeitvertreib. Andererseits hat es Regisseur Olaf Kreinsen geschickt vermieden, die Handlung als wortlastiges Selbstfindungswerk zu inszenieren. Natürlich lässt es sich bei vier weiblichen Hauptfiguren nicht vermeiden, dass viel geredet wird, aber diverse Dialoge sind durchaus witzig.
Außerdem sorgen komische Momente immer wieder für Heiterkeit. Estelle zum Beispiel, auch als Pilgerin stets im perfekten Styling, arbeitet sich mit einem angeblich "off road"-tauglichen Reisekoffer über Stock und Stein. Beinahe beiläufig ändert sich die Tonlage jedoch, bis schließlich sogar die Freundschaft der Frauen in Gefahr gerät. Sehenswert aber ist der Film jedoch vor allem wegen der vier Hauptdarstellerinnen. Reizvoll sind auch die Drehorte in den Pyrenäen und den Heiligtümern von Lourdes. Und dass der BR "Die Dienstagsfrauen" an einem Dienstag zeigt, ist auch ein netter Zug.