Im Namen Allahs?

epd-bild/Agata Skowronek
Gottesdienst in der Hängende Kirche (auch koptische Kirche genannt) im koptischen Viertel von Kairo.
Im Namen Allahs?
In der Islamischen Welt findet laut der Islamwissenschaftlerin Rita Breuer (Aachen) eine "Reislamisierung" statt. Darunter leiden vor allem Christen. Sie brauchen ihrer Ansicht nach von der westlichen Welt noch mehr Unterstützung als bisher.
04.06.2012
epd
Judith Kubitscheck

Im Nordsudan gab es über vierzig Jahre lang keine einzige Baugenehmigung für eine Kirche. In der Türkei besitzt die katholische Kirche immer noch keinen gesicherten Rechtsstatus und kann deshalb keinen Grundbesitz erwerben, in der Regel nicht einmal ein Konto eröffnen. In Ägypten muss der Bürgermeister immer ein Muslim sein, selbst in Dörfern, die nur oder fast nur von Christen bewohnt sind.

Zahlreiche solcher Beispiele nennt Rita Breuer in ihrem Buch "Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam", das jetzt im Herder Verlag (Freiburg) erschienen ist. Sie alle sollen zeigen: "Christen werden in der islamischen Welt in besonderer Weise und aus eindeutig religiösen Gründen in ihren Rechten beschnitten und verfolgt."

Nicht jeder Christ wird verfolgt, aber das Klima wird rauer

Die Formen der Benachteiligung von Christen variierten von Sticheleien und sozialer Diskriminierung über anti-christliche Polemik und rechtlicher Benachteiligung bis zu Enteignung, Vertreibung, Brandstiftung, Tötung, sagt Breuer. Nicht jeder Christ in der islamischen Welt werde verfolgt, aber die Entwicklung gehe immer mehr in diese Richtung.

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Den Grund dafür sieht die promovierte Islamwissenschaftlerin in einem wachsenden Druck und Einfluss islamistischer Kräfte, denen es gelungen sei, über weite Teile auch das Denken der einfachen Bevölkerung zu prägen. In Hasspredigten, Radiobeiträgen und Artikeln richteten sie sich immer militanter gegen den Westen. Immer häufiger würden die Christen im eigenen Land mit dem Westen als dem vermeintlichen Feind der islamischen Welt identifiziert. Diese "geistige Brandstiftung", in der ein anti-christliches Klima geschürt werde, sei schon der Beginn einer Verfolgung, nicht erst wenn es tatsächlich zu gewaltsamen Übergriffen komme.

Die Buchautorin beobachtet eine "Reislamisierung" der islamischen Welt. Eine Stärkung der Rolle des Islams als Staatsreligion sowie eine religiöse Prägung der Rechtsprechung durch Berufung auf die Scharia bedeute jedoch "eine Privilegierung der Muslime als vermeintlich bessere Religionsgemeinschaft und gehe ohne Ausnahme zu Lasten der Christen", sagt Breuer dem epd. Ein islamisch geprägtes Staatswesen ohne religiöse Diskriminierung habe es noch nie gegeben.

Tierschutz und Tibeter, aber keine "innerreligiöse Solidarität"?

Die Reislamisierung habe unter anderem dazu geführt, dass die soziale und politische Rolle von Christen im Nahen und Mittleren Osten abgenommen habe. Ebenso wie ihre zahlenmäßige Präsenz: Im Irak sind von 1,25 Millionen Christen, die man vor 2003 zählte, heute noch maximal 400.000 im Land. Seit dem Sturz Mubaraks im März in Ägypten sollen über 100.000 Kopten emigriert sein.

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Wenn Breuer von Christenverfolgung in islamischen Ländern redet, wolle sie damit keine antiislamische Hetze betreiben, betont sie. Aber benachteiligte Christen verdienten "besondere Solidarität und Unterstützung, die man ihnen in der Vergangenheit vielfach schuldig geblieben ist", betont sie.

Für die Autorin ist es ein "merkwürdiges Phänomen", dass die deutsche Gesellschaft sich für löbliche Belange wie die Freiheit der Tibeter oder den Tierschutz einsetzt, sich aber scheut, eine Art "innerreligiöse Solidarität" zu üben, die für Muslime selbstverständlich ist. Dabei sei es keinesfalls islamfeindlich, auf die desolate Situation vieler Christen in der islamischen Welt hinzuweisen. Vielmehr sei es christenfeindlich, es nicht zu tun.

Für die Zukunft befürchtet Breuer, dass die Lage der Christen in der islamischen Welt noch schlechter wird. So wie es derzeit aussehe, habe der Arabische Frühling nicht die Demokratisierung gebracht, die sich viele Menschen erhofft hatten. Soziale Ausgrenzung, Schikanen und Gewalt gegen Christen würden vielerorts zunehmen. Wenn aber der fundamentalistische Islam zunehme, sei das zum Nachteil der Christen und anderer Minderheiten, aber auch der Frauen, so Breuer.