Die Nordkirche öffnet nach den Worten von Bundespräsident Joachim Gauck ein neues Kapitel im Zusammenwachsen von Ost und West. Das notwendige Vertrauen komme nicht automatisch, sondern müsse neu erarbeitet werden, sagte Gauck am Pfingstsonntag im Ratzeburger Dom. Die Menschen in Ost und West müssten sich nicht genieren, dass sie in den 40 Jahren der Trennung so unterschiedlich geworden seien.
In der Nordkirche haben sich die Landeskirchen Mecklenburg, Nordelbien und Pommern zusammengeschlossen. Erstmals haben sich damit Kirchen der ehemaligen DDR und der alten Bundesrepublik vereinigt. Mit knapp 2,3 Millionen Mitgliedern ist sie die fünftgrößte evangelische Landeskirche in Deutschland.
Schneider: "Verfassung ein Jahrhundertwerk"
Der Festgottesdienst hatte das Motto "Segel setzen": Drei große Segel wurden tänzerisch zusammengeführt und symbolisierten die Kirchenfusion. Im Anschluss wurden die Besucher zu einem gemeinsamen Essen unter freiem Himmel eingeladen. Rund 300 Pfadfinder verköstigten die 5.000 Gäste mit 10.000 Würsten, 500 Kilogramm Käse und 550 Kilogramm Erdbeeren. 60 Pagodenzelte informierten die Besucher über die Angebote der Nordkirche. Über 10.000 Besucher waren bereits am Mittag nach Ratzeburg gekommen, um dort bei sonnigem Wetter die Gründung zu feiern.
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Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) nannte die Gründung der Nordkirche einen "zukunftsweisenden, bahnbrechenden Schritt". Althergebrachte Strukturen und liebgewonnene Traditionen seien über Bord geworfen worden, sagte Carstensen, der auch für den Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz und den Schweriner Ministerpräsidenten Erwin Sellering (beide SPD) sprach. Für ihn persönlich sei jedoch die Nähe der Gläubigen zu ihrer Kirche am wichtigsten - "nicht der Name, der darüber steht".
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, begrüßte die Nordkirche als "neues Boot im Flottenverbund der EKD". Die Verfassung sei ein "Jahrhundertwerk", die nicht hierarchisch durchgedrückt, sondern in vielen Verhandlungen mühsam erarbeitet worden sei.
Andreas von Maltzahn kommisarischer Landesbischof
Die drei Landeskirchen sind einander nach den Worten des Schweriner Bischofs Andreas von Maltzahn in den Verhandlungen nahe gekommen und beziehen jetzt ein gemeinsames Haus. Viele Vorteile über Ost und West seien inzwischen korrigiert worden, ergänzte der Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich.
In der Nordkirche haben sich drei recht unterschiedliche Kirche zusammengeschlossen: Nordelbien hat rund zwei Millionen Kirchenmitglieder, Mecklenburg 200.000 und Pommern 100.000. Anders sieht es bei den Gotteshäusern aus: Nordelbien bringt 812 Kirchen und Kapellen ein, Mecklenburg und Pommern 1.182. Statistisch heißt dies, dass sich im Westen rund 2.600 Kirchenmitglieder eine Kirche teilen, im Osten sind es nur 260. In Schleswig-Holstein sind derzeit rund 60 Prozent der Bevölkerung evangelisch, in Hamburg 41 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern 18 Prozent.
Insgesamt vier Bischofssitze hat die Nordkirche. Bischöfin Kirsten Fehrs in Hamburg, der Bischofsbevollmächtigte Gothart Magaard in Schleswig und Bischof Hans-Jürgen Abromeit in Greifswald haben vorwiegend regionale Aufgaben. Im kommenden Jahr soll dann ein Landesbischof mit Sitz in Schwerin gewählt werden. Bis dahin wird Bischof Gerhard Ulrich als Vorsitzender der vorläufigen Kirchenleitung das Amt kommissarisch übernehmen. Übergangsweise bleibt Andreas von Maltzahn noch bis 2019 Sprengelbischof in Schwerin. Das gemeinsame Landeskirchenamt befindet sich in Kiel.