Wenn ein Flüchtling bei seiner Einreise einen Asylantrag stellt, kommt es in der Regel zum Erstinterview durch Bundesbeamte etwa bereits am Flughafen. In den allermeisten Fällen wird der Asylantrag abgelehnt. Daraufhin müssen die Asylbewerber die Bundesrepublik Deutschland auf Rücknahme der Ablehnung des Asylantrages verklagen. Dann kommt es zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. Der Iraner Christian Mohsen Madani macht derzeit dieses Verfahren durch. In seiner Heimat war er Bankangestellter und PC-Fachmann. An Geld und Luxus mangelte es ihm in seiner Heimat nicht, sagt er. Was ihm fehlte war die Freiheit, die Luft zum atmen.
In Berlin wurde er Christ. Auf keinen Fall will er wieder in seine alte Heimat zurückgehen müssen. "Bitte sagen Sie den Leuten, dass kein Iraner aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommt etwa weil er hungert. Iran ist ein reiches Land. Es sind politische und bei uns Christen Glaubensgründe", mahnt Madani. Der Iraner hat in der Berlin-Zehlendorfer St. Mariengemeinde am Taufunterricht teilgenommen. Er ist aus Überzeugung Christ geworden. Vor der Gerichtsverhandlung hat er keine Angst, davor, eventuell stundenlang nach seinem Glauben befragt zu werden.
Todesstrafe für Glaubensabfall
Der Iraner ist nicht der erste, dessen Bekenntnis von Richtern angezweifelt wird. Bereits andere iranische Mitglieder der St. Mariengemeinde wurden vor dem Berliner Verwaltungsgericht stundenlang geprüft, ob sie als Flüchtlinge nun wirklich richtige Christen sind oder nicht. Denn iranische Christen, wenn sie denn als solche anerkannt sind, dürfen von Deutschland im Grunde nicht in den Iran abgeschoben werden, weil die Konversion, der Abfall vom Islam, im Gottesstaat mit dem Tod bestraft wird. Für eine Abschiebung müssten die deutschen Richter den Iranern erst ihren christlichen Glauben aberkennen. Dass das schon theologisch eine Unmöglichkeit ist, scheint die Justiz nicht anzufechten.
Christian Mohsen Madani aus dem Iran muss vor Gericht seinen christlichen Glauben beweisen. Foto: Thomas Klatt
"Das Problem ist, dass der deutsche Staat den Iranern unterstellt, sie würden nur zum Schein Christen werden", bemängelt Pfarrer Gottfried Martens von der Selbständig Evangelisch Lutherischen Kirche in Berlin-Zehlendorf.
Taufurkunde reicht nicht
Den deutschen Richtern genügt die Taufurkunde nicht, um anzuerkennen, dass ein Christ Christ ist. Eine eventuelle Firmung oder Konfirmation tut anscheinend auch nichts zur Sache. Selbst ein jahrelanges Engagement in einer christlichen Gemeinde halten manche Richter offenbar nur für ein geschicktes Täuschungsmanöver zur Erschleichung des deutschen Aufenthaltsrechts.
"Wie will ein deutscher Richter beurteilen, wer ein wirklicher Christ ist und wer nicht? Da haben wir mitunter groteske Situationen, denn es geht ja darum, welche Kenntnisse die Richter selber haben. Manche betrachten das Christentum mitunter als eine Art deutsches Kulturgut, stellen Fragen nach dem deutschen Weihnachts- oder Osterfest, als sei dies der Kern des christlichen Glaubens", berichtet Pfarrer Martens, der als Zeuge zu den Gerichtsverfahren geladen wird. Natürlich werde das Christentum im Iran, wo eine Verfolgungssituation herrscht, anders gelebt als hierzulande, wo Religionsfreiheit herrscht.
"In meinem Taufunterricht für die Iraner geht es um das Evangelium. Davon haben aber wiederum deutsche Richter mitunter nur eine rudimentäre Ahnung", beklagt der Gemeindetheologe. Es gebe vor Gericht die Tendenz, dass selbst Pfarrern nicht geglaubt werde, als ob diese nur die Aussagen der Asylbewerber stützen wollten. Dabei habe er keinen einzigen Fall erlebt, bei dem ein bereits anerkannter iranischer Asylbewerber plötzlich nicht mehr zum Gottesdienst gekommen wäre. Keiner wolle die christliche Gemeinde einfach nur ausnutzen. Das sei auch unwahrscheinlich, denn der Erwachsenentaufe gehe stets ein intensiver Taufunterricht voraus.
Gericht prüft "innere Glaubensüberzeugung"
Das Berliner Verwaltungsgericht rechtfertigt dagegen die richterliche Prüfung. "Für die ggf. asylerhebliche Frage, ob eine Konversion zu einem anderen Glauben vorliegt, ist nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung nicht allein der formale Taufakt, sondern ein von einer inneren Glaubensüberzeugung geleiteter Glaubenswechsel entscheidend", schreibt der stellvertretende Pressesprecher und Richter am Berliner Verwaltungsgericht Kai-Christian Samel. Auf Grund welcher Kompetenz Juristen dies zu prüfen vermögen, schreibt Samel allerdings nicht.
Dabei würden deutsche Gerichte sich immer mehr in religiöse Angelegenheiten einmischen, beklagt Pfarrer Gottfried Martens.
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"Die Verwaltungsgerichte haben den Begriff des religiösen Existenzminimums erfunden und per Gerichtsbeschluss festgestellt, dass weder das Abendmahl noch der Gottesdienstbesuch notwendig seien. Ein Christ müsse lediglich beten können, und das könne er auch zuhause still und heimlich. Dieses religiöse Existenzminimum sei somit auch im Iran erfüllt", beklagt der evangelische Theologe. Damit kolportierten die deutschen Richter die Vorstellung eines liberal-christlichen Protestantismus aus dem 19. Jahrhundert.
Diese deutsche Rechtsprechung widerspricht damit auch Artikel 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Jedermann hat demnach das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. Schon vor fünf Jahren protestierte etwa das katholische Hilfswerk missio gegen diese Missachtung internationalen Rechts bei deutschen Asylrechtsverfahren, bislang offenbar vergeblich.
"Leider kein Einzelfall"
Das Berliner Beispiel sei leider kein Einzelfall, beklagt Marei Pelzer von Pro Asyl in Frankfurt am Main. Immer wieder erlebe man bei deutschen Richtern diese Mißtrauenshaltung, Asylbewerber würden nur konvertieren, um sich einen Aufenthalt in Deutschland zu erschleichen oder sollte man besser sagen zu erglauben. Dadurch ergebe sich die absurde Situation, dass Rechtsanwälte mit ihren Mandanten stundenlang Katechese treiben, um die Asylbewerber auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten. Der christliche Religionsunterricht scheint damit endgültig zu einer Art juristischen Disziplin geworden zu sein.