Atheisten in Asien: Beschimpft, ausgegrenzt, angeklagt

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Sich als Atheist zu outen, ist in manchen asiatischen Ländern gefährlich. Menschen ohne Religionszugehörigkeit vernetzen sich im Internet.
Atheisten in Asien: Beschimpft, ausgegrenzt, angeklagt
In Indonesien und auf den Philippinen ist es nicht vorgesehen, an nichts zu glauben
Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Auch die Freiheit von Religion muss den Menschen also erlaubt sein. Weltweit schließen sich Menschen, die bewusst keiner Religion angehören, zusammen - am vergangenen Wochenende hat gerade die "Global Atheist Convention" in Melbourne stattgefunden, am kommenden Wochenende wird es erstmals eine Konferenz von südostasiatischen Agnostikern und Atheisten in Malina geben. Doch während es in der westlichen Welt problemlos möglich ist, an nichts zu glauben, bekommen Menschen in Asien Probleme, wenn sie sich als Atheisten "outen".

In der dritten Januarwoche dieses Jahres änderte sich das Leben von Alexander Aan dramatisch. Erst wurde der Indonesier von einem aufgebrachten muslimischen Pöbel beschimpft, zusammengeschlagen, misshandelt. Dann nahm die Polizei den 31-jährigen fest. Zunächst in Schutzhaft. Dann in Untersuchungshaft. Jetzt steht Aan in Sijunjung auf Sumatra vor Gericht. Die Anklage lautet auf Blasphemie. Was Polizei, Behörden und eine Gruppe radikaler Muslime wirklich wütend und Aan vor Gericht gebracht hatte, war Aans Facebook-Bekenntnis, ein "islamischer Atheist" zu sein.

Atheismus ist in Indonesien und anderen Ländern Südostasiens kein neues Phänomen. Es ist aber neu, dass sich vor allem junge Asiaten als Atheisten bekennen. Diskussionsforen, Blogs und soziale Netzwerke im Internet ermöglichen es Asiens Atheisten sich zu treffen, auszutauschen, zu vernetzen. "Seine Meinung zu sagen, aufzuhören vorzugeben etwas zu sein was man nicht ist, sich zu outen ist in Ländern wie Indonesien sehr schwierig", sagt Karl Karnadi, ein indonesischer Atheist und fügt hinzu: "Für viele ist das Internet der einzige Ort, das zu tun." Deshalb hat Karnadi vor zwei Jahren die Homepage SEA-Atheists.org ins Netz gestellt, die schnell zu einem Forum für Gleichgesinnte aus Malaysia, Singapur und den Philippinen wurde.

Die südostasiatischen Länder sind sowohl konservativ als auch tief religiös. In Südostasien leben viele der großen Weltreligionen auf engem Raum zusammen. Die mehrheitlich katholischen Philippinen sind das größte christliche Land. Der Buddhismus ist die vorherrschende Religion in Thailand als auch in den beiden kommunistischen Ländern Laos und Vietnam. Indonesien genießt den Ruf, weltweit das Land mit dem größten muslimischen Bevölkerungsanteil zu sein. In diesen Ländern stehen die Mehrheitsreligionen entweder per Gesetz oder de Facto im Rang einer "offiziellen Religion".

Indonesien: Jeder muss eine von sechs Religionen wählen

Indonesien ist laut Verfassung, der Pancasila, ein säkularer Staat. Eines der in der Pancasila verankerten unveränderbaren Prinzipien ist jedoch auch der "Glaube an den einen Gott". Zudem gelten laut Verfassung nur der Islam, der Buddhismus, der Hinduismus, der Protestantismus, der Katholizismus und Konfuzianismus als offiziell anerkannte Religionen. In der Praxis heißt das: jeder Indonesier muss in seinen Personalausweis eine dieser sechs Religionen eintragen lassen. Wer sich weigert, weil er ein Jude, Sikh, Angehöriger einer Stammesreligion oder eben Atheist ist, der erhält keine Papiere und ist damit rechtlos.

Das Selbstouting von Aan hat in den englischsprachigen Medien Indonesiens zu einer lebhaften Debatte über Religion und Atheismus geführt. Kaum zu hören waren jedoch Stimmen der Religion. Vor allem konservative Muslime sind durch das Öffentlichwerden des Atheismus in eine Schockstarre verfallen, weil sie keine theologische Antwort auf ein Phänomen haben, das außerhalb ihrer Vorstellungswelt liegt.

Die Kirchen reagieren ambivalent auf den Atheismus. "In Indonesien findet auch in christlichen Kirchen noch keine Auseinandersetzung mit dem Atheismus statt. Dabei sickert der Atheismus ganz langsam unter Intellektuellen etwa in Jakarta ein, in der Mehrheit unter Katholiken, die ja am weitesten säkularisiert sind", weiß der Jesuit Franz Magnis-Suseno, Direktor der Philosophischen Hochschule Driyarkara in Jakarta, und fügt hinzu: "Wenn aber die Frage von Atheismus im Zusammenhang mit den Rechten von Atheisten in Indonesien auftaucht, unterstützen die Kirchen im Allgemeinen diese Rechte. Atheisten werden primär als Bundesgenossen in der Abwehr eines Islamstaates wahrgenommen."

Philippinen: Religion und Atheismus müssen sich nicht ausschließen

Auf den Philippinen sind es die christlichen Kirchen, die das Aufkommen einer atheistischen Bewegung überrascht hat. Dabei tummeln sich Atheisten, Agnostiker und Freidenker längst nicht mehr nur in kuscheligen digitalen Foren, sondern werden am kommenden Wochenende zur ersten südostasiatischen Konferenz von Atheisten und Agnostikern in Manila richtig anlog. "Wir werden lauter und aktiver in der Öffentlichkeit. Vor einem Jahr hatte PATAS zehn Mitglieder, jetzt sind es schon mehr als 2000"", freut sich Mark Dennis Flores, Sprecher der Philippine Atheists and Agnostics Society (PATAS).

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Von den Kirchen der Philippinen hat sich bislang keine offiziell zum Atheismus geäußert, auch nicht die mächtige Katholische Kirche, der mehr als 80 Prozent der Filipinos angehören. Auch die Medien ignorieren bisher das Thema weitgehend. "Das wird sich durch unsere Konferenz sicher ändern", vermutet Ricky Maramba, der sich als "spiritueller Atheist" beschreibt. Religion und Atheismus müssen sich nicht gegenseitig ausschließen findet Maramaba, einer der Organisatoren der Atheistenkonferenz in Manila. "Im Osten gibt es einige Religionen wie den Buddhismus oder den Taoismus, die man gleichzeitig als atheistisch und spirituell sehen kann. Ihnen fehlt der Glaube an einen Schöpfergott."

Mangels einer theologischen und intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Atheismus kursieren in den asiatischen Ländern kuriose Vorstellungen über den Atheismus. Für viele Filipinos ist Atheismus (wenn sie überhaupt den Begriff kennen) gleichbedeutend mit Satanismus. Wer sich als Atheist zu erkennen gibt, muss mit familiärer und gesellschaftlicher Ausgrenzung rechnen. Routinemäßig werden auf den Philippinen Arbeitnehmer bei der Einstellung nach ihrer Religionszugehörigkeit gefragt. "Gibt man 'Atheist' oder auch nur ‚keine Religion' an, reicht das oft aus, um den Job nicht zu bekommen", weiß Flores.

In Indonesien wird Atheismus mit Kommunismus gleichgesetzt. "Atheisten habe es in Indonesien immer gegeben", sagt Pater Magnis-Suseno und fügt hinzu: "Vor allem in den ersten 20 Jahren der Republik, und da vor allem unter den Kommunisten, die aber Atheismus nie groß auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Nach dem Staatstreich vom 1. Oktober 1965 (von General Suharto) wurde mindestens eine halbe Million Kommunisten ermordet." Die "Traumata und Kollektivneurosen" bezüglich Kommunisten und Atheisten seien "bis heute unter der Oberfläche wirksam".

Auch Minderheitsreligionen sind von Gewalt bedroht

In Indonesien wächst seit einigen Jahren auch die Intoleranz und Gewalt gegenüber Minderheitsreligionen wie Christen oder Anhängern der als Abtrünnige angesehenen islamischen Glaubensrichtung Ahmadiya. Radikale muslimische Organisationen bis hin zu islamistischen Terrorgruppen wollen Indonesien mit Gewalt zu einem islamischen Staat konvertieren. Wie wenig der Staat in der Lage oder Willens ist, gegen die Islamisten vorzugehen, zeigt der Fall der protestantischen Yasmin-Kirche in Bogor. Obgleich das Oberste Gericht Indonesiens vor mehr als einem Jahr der Yasmin-Gemeinde den Betrieb ihrer Kirche erlaubt hat, setzt sich die Stadtverwaltung von Bogor über das Urteil hinweg und blockiert weiterhin die Yasmin-Kirche.

Die Aussichten von Alexander Aan auf ein faires Verfahren sind gering. Im Falle seiner Verurteilung wegen Blasphemie drohen dem jungen Mann fünf Jahre Haft. Zudem ist er nach Paragraf 28 des Internetgesetzes wegen "Verursachung von Aufruhr" angeklagt. Darauf stehen sechs Jahre Haft.