Provokant und kämpferisch - Atheisten unter sich

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Provokant und kämpferisch - Atheisten unter sich
In Köln kommen an Pfingsten Atheisten, Freidenker und Humanisten zu einer europäischen Tagung zusammen. Auf dem Programm stehen unter anderem die Kritik an der Institution Kirche sowie die Abrechnung mit dem Religionsunterricht an Schulen.
21.05.2012
epd
Barbara Schneider

Der Atheismus in Europa gibt sich kämpferisch. Nicht nur die Buswerbung "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott" vor einiger Zeit in mehreren europäischen Städten macht das deutlich. Aktiv wurden Religionskritiker auch beim Streit ums Tanzverbot am Karfreitag in Deutschland. Und in Deutschland wird unter dem Motto "Heidenspaß statt Höllenqual" für den Kirchenaustritt geworben. Von Freitag an treffen sich rund 200 Atheisten, Humanisten und Freidenker in Köln zu einer europäischen Tagung mit dem Titel "Die atheistische Perspektive: national, regional, global".

Die Veranstaltung, die jährlich in einer anderen europäischen Großstadt stattfindet, wird unter anderem vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten organisiert. Die kirchen- und religionskritische Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt die Tagung. Beiden gemeinsam ist die teils kämpferisch vorgetragene Forderung nach einer Trennung von Staat und Kirche. Vor allem der Giordano-Bruno-Stiftung gehe es um eine "sehr provokante Auseinandersetzung mit dem Thema Religion", sagt Rainer Hempelmann von der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen.

"Ketzerpastor" stellt atheistische Enzyklopädie vor

An Polemik gegen die Institution Kirche wird es auch in Köln nicht mangeln. Auf der Tagesordnung stehen eine Abrechnung mit dem Religionsunterricht an Schulen, die Forderungen nach der Abschaffung der Staatskirchenleistungen sowie die Vorstellung der Kampagne "Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz". Neben der Kirchenkritik widmet sich die Tagung der Abgrenzung zu fernöstlichen Religionen sowie zum Islam.

Als Redner wird auch der ehemalige Hamburger Pastor Paul Schulz erwartet, der wegen der Leugnung Gottes 1979 in einem Lehrzuchtverfahren seines Amtes enthoben worden war. Im vergangenen Jahr scheiterte die von dem als "Ketzerpastor" bekannten Schulz betriebene Wiederaufnahme des Verfahrens. Bei der dreitägigen Treffen in Köln wird er eine im Internet zugängliche atheistische Enzyklopädie vorstellen.

Ein Großteil der Referenten - wie etwa der Philosoph Michael Schmidt-Salomon - stammen aus dem Umfeld der Giordano-Bruno-Stiftung. Die Stiftung sieht sich in der Tradition der Theorien des britischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins. Einer Denkrichtung, der indes nicht alle Religionskritiker folgen. So ist der Rechtsphilosoph Norbert Hoerster vor kurzem aus Kritik an dem von ihm sogenannten "neuen Atheismus" aus der Stiftung ausgetreten. Hoerster vertritt entgegen dem evolutionsbiologischen Ansatz eine Gotteskritik, die auf dem Theodizeeproblem fußt und einen allmächtigen Gott im Widerspruch zum Leid und dem Bösen in der Welt sieht.

Leiden Konfessionslose unter der verfassten Kirche?

Unabhängig von diesem oder ähnlichen philosophischen Diskursen liegt die Zahl der Nicht-Gläubigen in vielen Gegenden Europas auf hohem Niveau. Eine jüngst veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts Norc der Universität Chicago geht davon aus, dass sich in den Niederlanden, Norwegen, Schweden und Frankreich zwischen 15 und 20 Prozent der Bevölkerung als Atheisten bezeichnen. In Tschechien sind der Studie zufolge 26,2 Prozent der Menschen gottlos. In Ostdeutschland liegt die Atheisten-Quote bei 46,1 Prozent. Demgegenüber sind nur 4,9 Prozent der Westdeutschen nichtgläubig. 

Wie viele Menschen in atheistischen Verbänden aktiv sind, lässt sich nach Einschätzung von Hempelmann demgegenüber nur schwer in Erfahrung bringen. Offizielle Mitgliedszahlen sind nicht bekannt. "Es ist eine kleine Schar, die sehr öffentlichkeitswirksam agiert", sagt Hempelmann. Der evangelische Theologe kritisiert daher die Strategie der atheistischen Verbände in Deutschland, als Sprecher aller Religionslosen aufzutreten. Die geringen Mitgliederzahlen stünden im Kontrast zur hohen Zahl der Konfessionslosen, sagt Hempelmann.

Kritik an den mitunter aggressiven anti-kirchlichen Aktionen kommt auch von der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Petra Bahr. In Deutschland sei die "große Geistesbewegung der Religionskritik zur - manchmal furchtbar kleinkarierten - Kirchenkritik verkommen", schrieb Theologin zu Ostern in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung". Es gehe im Grunde gar nicht mehr um die Gottesfrage, sondern um die Frage, ob die Konfessionslosen "unter dem Einfluss derer leiden müssen, die Mitglieder einer verfassten Kirche sind".